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Zirkuslektionen von der Agenda gestrichen

Wie, keine Zirkuslektionen? Was für eine komische Einstellung, so werden wohl einige Leserinnen und Leser meinen. Denn Zirzensik ist in der Reiterwelt sehr beliebt geworden. Ich bin mir um die Kontroversität dieser Aussage durchaus bewusst. Ich möchte daher gerne erklären, warum ICH von Zirkuslektionen Abstand genommen habe.

Ausbildungsziele
Zu Beginn ist es mir wichtig zu erklären, was meine Ziele in der Ausbildung von Pferden sind:
- Selbstbewusstsein
- Gesundheit
- Kraft
- Ausdauer
- Anmut, mit innerem und äusserem Strahlen

Um dies zu erreichen nutze ich Beschäftigungen wie Freiarbeit (nicht Freiheitsdressur), Bodenarbeit, Gelassenheitstraining, Longieren mit Körpersprache und vielfältige Reitlektionen.

Keine Zirkuslektionen
Und nun die Gründe, warum ich dies nicht über Zirkuslektionen meine erreichen zu können.
Obwohl viele der Bewegungsabläufe der Zirzensik einen natürlichen Ursprung haben, so verlieren sie für mich durch die Dressur einen Grossteil ihrer Bedeutung. Sie werden dadurch zur leeren Hülle. Das Steigen eines Pferdes hat für das Pferd eine entsprechende Bedeutung. Das Abrufen zu jeder Zeit und jedem Ort steht für mich im Widerspruch dazu. Wir möchten das imposante Steigen, aber ohne die Bedeutung dahinter. Denn es soll für uns sicher sein. Es soll ein Spiel sein, aber wir bestimmen die Regeln und regeln dadurch auch ihr Gefühl dahinter. Auch das Abliegen sehe ich in einem ähnlichen Zusammenhang. Bedeutet es wirklich das erhoffte Vertrauen, wenn ich mein Pferd abliegen lassen kann? Für mich definiert dies nicht die Beziehung, die ich mit meinem Pferd anstrebe.

Warum überhaupt Zirzensik?
Mir erscheinen Zirkuslektionen als Anliegen des Menschen, dem Pferd Abwechslung zu bieten, Vertrauen aufzubauen und dazu eine Kontrollierbarkeit hervorzuheben. Natürlich möchte niemand ein unkontrollierbares Pferd. Wir möchten eine Beziehung mit ihm aufbauen, in seiner Gegenwart wachsen und uns gemeinsam Herausforderungen stellen. Ich empfinde aber einen grossen Unterschied zwischen gegenseitigem Vertrauen, das die oben genannten Ausbildungsziele im Blick hat und einer Dressur. Die zirzensische Dressur macht dem Pferd die Übungen im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft. Denn oftmals wird mit Futterlob gearbeitet oder gar über Futter der Kopf in eine Position gelockt. Daher bezweifle ich auch nicht, dass einige Pferde enthusiastisch mitmachen. Jedoch empfinde ich es für diese eigentlich stolzen Wesen auf eine Art entwürdigend, wenn wir sie abliegen lassen und uns dann auf sie legen. Oder sie auf Kommando den Kopf schütteln lassen, beigebracht durch kitzeln in den Ohren. Wenn nicht über Futter gearbeitet wird, dann mit Pausen als Lob und anderen Hilfsmittel wie zum Beispiel einer Longe für die Positionierung des Vorderbeins im Kompliment. Durch einen kleinschrittigen Trainingsaufbau und Wiederholungen, lernt das Pferd die entsprechende Übung. Darin unterscheidet es sich dann wieder kaum von zum Beispiel dem Reittraining. Die Frage ist dann wieder, ob die oben erwähnten Ausbildungsziele, die keine Garantie auf Vollständigkeit haben, erfüllt werden. Kann man dies mit ja beantworten, sollte man auf dem richtigen Weg sein. Aber Achtung, immer wieder genau das Pferd mit seinen Bedürfnissen und seiner Natur beobachten und seine eigenen Bedürfnisse dabei zurück stellen.

Ich habe meinem Pferd vor einiger Zeit das Wackeln mit der Oberlippe beigebracht. Ich fand das damals witzig. Er zeigt dies auch heute zwischendurch noch, um eine Belohnung zu bekommen. Aber ich sage ihm nun jedes Mal, dass er das nicht braucht, dass er sich stolz und frei fühlen soll. Er muss keine Kunststückchen für mich zeigen, um eine Belohnung zu erhalten.

Die Ausnahmen
Eine Ausnahme MEINER Regel sehe ich, wenn es einen therapeutischen Nutzen gibt. Dazu gehört für mich z.B. die Lektion der Bergziege. Hier geht es aber weniger um die Lektion, als mehr um die Verbesserung des Körpergefühls oder der Beweglichkeit. Diese und wenige andere Übungen erarbeite ich in Einzelfällen mit einem Pferd. Dies ist dann aber nicht "verfeinert", um es in einer Show vorzuzeigen. Es ist mehr Yoga für Pferde und wird zusammen mit anderen Körperarbeitstechniken kombiniert.

Keine Verurteilung
Um das an dieser Stelle klar zu sagen: Ich finde nicht, dass Personen, die Zirzensik betreiben, ihr Pferd quälen. Jedenfalls nicht die Menschen, an die ich dabei denke. Sie lieben ihre Pferde und bilden sie gewissenhaft aus, mit viel Hingabe, Liebe und Selbstreflektion. Sie haben nur eine andere Wahrnehmung als ich in diesem Moment, oder ich eben eine andere als sie. Die Frage ist für mich einfach, warum wir dem Pferd was beibringen und mit welchen Mitteln. Wie in jedem anderen Training auch müssen wir im Auge haben, wann wir psychischen oder physischen Druck anwenden, um unser Ziel zu erreichen. Das Ziel rechtfertigt nicht automatisch jedes Mittel. Druck gehört zum Leben dazu und ihn komplett zu vermeiden sehe ich nicht als möglich an. Aber nach Möglichkeit versuche ich diesen durch die entsprechende Anpassung der Übung sehr gering zu halten. Ich arbeite gerne nach dem Motto "Das Pferd schuldet uns nichts". Aber es ist halt eine Frage der Wahrnehmung. Deshalb masse ich mir auch nicht an zu sagen, dass mein Weg der richtige ist. Dies ist einfach nur meine Realität im hier und jetzt. Denn es gibt Schwarz, Weiss und dazwischen ganz viele Grautöne. Daher danke ich dir, lieber Leser, für deine Aufmerksamkeit und freue mich, dass du dir über deine eigenen Beweggründe Gedanken machst.

Ich freue mich sehr über deine Gedanken zu diesem Thema. Du kannst diese gerne in den Kommentaren oder mir eine Mail schreiben. Machst du Zirkuslektionen und wenn ja, was bedeutet es für dich und dein Pferd? Was sind DEINE Ziele und Wo sieht DU die Grenzen?

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Kommentare

Wenn man aber eine Left-Brain-Introvert hat, kann man die hervorragend damit motivieren und das hat rein gar nichts mit Futterlob zu tun, denn das gibt es bei mir auch für Freiarbeit, wo meine Pferde mir quasi sagen: Behalt-Dein-Futter, ich habe gerade keinen Bock. Aber Zirkuslektionen machen sie mit Feuereifer und deswegen ist bei uns die Zirkuslektion an sich die Belohnung.

Hier noch ergänzend für die, die nicht auf facebook sind. Bei den Zirkuslektionen arbeitest du ja auch mit Futter, wie du mir sagtest. Daher sehe ich eher dies als Motivation als die Lektion selber. Klar macht dadurch die Zirkuslektion Spass. Es gibt denke ich kaum ein Pferd, wo das anders ist. Dass Futter bei unbeliebten Übungen nicht motiviert, ist trotzdem durchaus möglich. Für mich sehe ich den Zusammenhang, dass etwas Spass macht, weil es sich durchs Futter lohnt. Auch das ist nichts schlimmes. Man muss es finde ich aber als das sehen, was es ist. Das geht auch mir in einigen Bereichen (noch) so!

Mit meinem Pferd – und es ist bereits 23 Jahre alt - praktiziere ich Zirzensik und das bereits seit 17 Jahren, wir machen solche Übungen mehrfach in der Woche. Und ich sehe die im Beitrag aufgeführten Ausnahmen von der Regel als die Regel.
Es gibt bei jeder der zirzensischen Übungen einen therapeutischen Nutzen. Lasse ich mein Pferd das Kompliment erst rechts und dann links machen oder umgekehrt, kann ich ganz genau beobachten, ob es auf beiden Seiten gleichmäßig durchlässig ist. Wohin verlagert es sein Gewicht, kann es die Hanken gleichmäßig biegen, weicht er zu einer Seite aus, zittert das gestreckte Bein usw. Diese Übung gibt mir jede Menge Informationen über den Gymnastizierungs- und auch den muskulären Zustand meines Pferdes, das Gleiche gilt für das Knien. Lasse ich mein Pferd sich hinlegen, bekomme ich weitere Informationen über den Zustand des gesamten Körpers und wenn es wieder aufsteht, sehe ich, wie gut es sich mit den Hinterbeinen abdrücken kann, sehe ich, ob es sich z.B. Herumwälzen kann (wenn ich das anfordere) und auch aus der anderen Position problemlos aufsteht. Ich könnte die Auflistung fortsetzen. Wir haben die Übungen übrigens erarbeitet, weil eine Osteopathin mir nach einer Behandlung sagte, dass mein Pferd sein Leben lang eine extra Portion Gymnastik benötigen würde. Weil ich gerne wollte, dass es seine Gymnastik selbst macht, also quasi Yoga, habe ich den Weg der Zirzensik gewählt und die Ergebnisse geben uns Recht.

Es tut dem Selbstbewusstsein eines Pferdes übriges keinen Abbruch, wenn es Zirzensik macht. Die Frage ist doch, mit welchem Mindset ich als Pferdeliebhaber solche Übungen durchführen lasse. Wenn ich der Auffassung bin, dass die Übungen – übrigens welche auch immer – meinem Pferd gut tun und es selbst auch merkt, dass es davon profitiert, wird es die Übungen gerne machen und seinen Körper besser kennen und beherrschen lernen. Körperfeeling und Körperbeherrschung sind das A und O für ein Pferd
Vielleicht kurz noch ein Wort zum Thema „Steigen“. Warum sollte ich mein Pferd steigen lassen, wenn ich es auch eine Levade machen lassen kann? Durch die Levade wird es noch besser darin, sich selbst zu tragen und Gewicht auf die Hinterhand zu bekommen.
Noch eine Anmerkung zum Thema: Mir ist es eigentlich herzlich egal welche Elemente aus welchem System ich nutze, um mit meinem Pferd zu arbeiten. Am besten entwickelst Du als Pferdeliebhaber ein Gespür dafür, welche Trainingselemente Deinem Pferd gut tun. Durch das Internet haben wir Zugang zu allen möglichen interessanten Vorschlägen und können uns dann entscheiden; feststellen, was uns und unserem Pferd Spaß macht und uns unseren Zielen näher bringt. Ein Ziel ist hoffentlich immer die Gesunderhaltung und Gymnastizierung des Pferdes, das Gleiche sollte für uns selbst gelten.

Danke dir für deine Kommentare. Ich widerspreche dir da im Grundsatz nicht. Gymnastizierung ist wichtig und ja, Zirkuslektionen können ein gutes Yoga sein. Aber für mich kommt das trotzdem nur selten in Frage. Das heisst aber ja nicht, dass es für euch nicht genau das richtige ist. In einem Punkt wiederspreche ich dir. Die Psyche kann positiv wie auch negativ durch Zirzensik beeinflusst werden. Klar, das ist bei praktisch allen "Methoden" so. Dabei kommt es nicht nur auf die Einstellung des Menschen an, ob er dem Pferd damit etwas gutes tun will. Denn das ist natürlich sehr subjektiv, wer was als positiv erachtet. Die Frage ist, wie ich das individuelle Pferd in seiner Persönlichkeit und Gesundheit gerecht fördern kann. Zirzensik kann ein Weg dahin sein, aber es ist nicht immer das richtige. Jedenfalls nicht meiner Erfahrung nach. Aber wie gesagt, es ist eine Frage der Wahrnehmung!

Hallo Kristina,
ich habe auf meinem Blog eine Antwort zu deinem Artikel geschrieben,
da ich deine Sichtweise sehr interessant finde,
aber mit meinem Pferd grundsätzlich andere Erfahrungen gemacht habe.
Nach deinem letzten Kommentar sind wir denke ich einer Meinung, dass es ein Weg sein kann, aber bei weitem nicht für alle Pferde der beste ist.
Liebe Grüße
Anna

https://annaamyapple.wordpress.com/2017/04/28/antwort-auf-zirkuslektione...

Danke dir Anna. Ich habe schon Teile gelesen, werde es aber noch ganz durchlesen. Ja, absolut, es kann ein Weg sein. Gerade Spanischer Schritt können sehr stolz machen. Es einfach hinterrfragen finde ich wichtig. Für mich stimmt bei manchen Dressuren im Bereich Zirzensik einfach etwas nicht. Daher versuche ich die Pferde auf andere Art zu fördern. Aber wenn es bei euch zu so wunderbaren Ergebnissen führt, gibt es finde ich nichts dagegen zu sagen. Daher: es gibt schwarz, weiss und ganz viel grau dazwischen :-)