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Show, Ethik und Argumente

Neulich wurde ich auf einen Artikel aufmerksam, der ein sehr brisantes Thema behandelt:

Bis zu welchem Punkt können Pferdeshows noch ethisch sein?

An Pferdeshows ist die Menge der begeisterten Pferdefreunde gross und der Applaus tosend, wenn 'Pferdeflüsterer' jeder Coleur' ihre Vorführungen zeigen. Doch der Anteil der Pferdemenschen wächst, die mit gemischten Gefühlen zuschauen. Das Teaserbild habe ich in der TopHop Show 2015 gemacht. Es zeigt die für mich bezauberndste und poetischste Vorführung des Abends - welche ganz ohne lebende Pferde auskommt. Für mich ist es daher absolut stimmig, dass die in der Schweiz dieses Jahr zum 2x geplante Expo-Horse Mut hat für eine Pferdemesse ganz ohne Pferde!

Mit Erlaubnis der Autorin Claudia Weingand darf ich hier ihren Artikel zitieren:

Auf der Equitana 2017 sah ich viele liegende Pferde.
Pferde, die sich mit Reiter hinlegen und wieder aufstehen mussten. Pferde, die im Messering lagen und mit Plastikplanen zu- und wieder aufgedeckt wurden. Pferde, die bei der Abendshow in Reih und Glied lagen und von einem anderen Pferd wie massive lebendige Cavaletti übersprungen wurden. Das „Springpferd“ ging unklar. Ich verstand schnell weshalb. Nach dem Springen musste es sich hinlegen und eins der anderen Pferde (sagen wir Gewichtsklasse 500 kg plus) stellte sich auf dessen Kruppe und grüßte „spanisch“ das johlende Publikum.

Grundsätzlich: Es ist schön, wenn ein Pferd sich trotz Messetrubel (entspannt) hinlegt. Grausam ist, wenn es trotz Messetrubel zum Hinlegen gezwungen wird. Der Unterschied mag klein scheinen, doch für das Pferd ist er gewaltig:
Die meisten Pferde flüchten bei Gefahr (manche kämpfen, manche erstarren auch). Entweder sie vertrauen ihrem Trainer so und konnten sich so lange an die Messekulisse gewöhnen, dass sie die bekannte und positiv verknüpfte Lektion „Ablegen“ auch im Ring zeigen. Ethisch für mich ok. Im zweiten Fall haben die Tiere aber mehr Angst vor den Konsequenzen, wenn sie sich nicht hinlegen als vor dem Messerummel.
Wenn ein Pferd dann noch zu Showzwecken ein anderes Pferd oder einen auf ihm herumspringenden Hund ertragen muss während es sich in der völlig hilflosen Liegeposition befindet, ist das meines Erachtens nicht beklatschenswert, sondern tierschutzrelevant.

Auf der Equitana 2017 sah ich viele gestresste Pferde.
Verständlich, eine Messe stresst uns Menschen ja auch. Manche dieser Pferde waren aber nicht durch den Messerummel zu Nervenbündeln geworden, sondern durch den Drill der Trainer. Die Vorführung eines Stars der Abendshow erinnerte an Raubtierdressur: In die Luft beißende und mit den Augen rollende Hengste, die sich wie Marionetten von einem mit langen Peitschen bewaffneten, auf einem Pferd sitzenden Dresseur bedienen ließen und sehr hektisch-krampfige Pirouetten und Einerwechsel zeigten. Das Publikum schien restlos begeistert (bzw. nur die Begeisterten hört man klatschen, die Skeptiker sind ja normalerweise stumm).

Wenn ich mich dann laut frage, was wir Pferden zu Showzwecken zumuten dürfen, kommen meist dieselben Argumente, die meine Bedenken im Keim ersticken sollen:

1. „Sowas muss man erst mal selbst machen bevor man es kritisiert!“
Das sehe ich anders. Ich sehe keinen Sinn darin, Pferde auf Pferde steigen zu lassen oder Lektionen in „Freiheitsdressur“ zu erarbeiten, die mit Freiheit so wenig zu tun hat wie ein Spaziergang auf dem Gefängnishof. Diesen Missbrauch am Pferd möchte ich überhaupt nicht nachmachen.

2. „Im Dressursport/in Amerika/bei anderen Trainern ist es noch viel schlimmer.“
Das mag sein. Es mag auch viel schlimmer für ein Kind sein, wenn es mit dem Gürtel verdroschen wird statt nur „per Hand“. Deshalb würde ich aber nie auf die Idee kommen, dass es ok ist, ein Kind mit der Hand zu schlagen.

3. „Wenn das Pferd nicht mitmachen wollte, würde es das gar nicht tun.“
Leider doch. Es gibt sehr berühmte und beliebte Freiheitsdressurstars, die Helfer in die Ecken der Halle stellen und das Pferd mit Schlägen strafen, wenn es vom „Dompteur“ weggeht. Man kann scheinbar harmonische Dinge wie das „freiwillige Folgen“ des Pferdes mit viel Druck und Schmerz erarbeiten. Legt ein Pferd bei der „Freiheitsdressur“ dauerhaft die Ohren an, beißt es vielleicht sogar in die Luft, hat es Schaum vorm Maul oder schwitzt es stark am ganzen Körper, ist Angst im Spiel und keine Freiwilligkeit. Auch beim Ablegen knickt das stolzeste Pferd irgendwann ein, wenn seine Beine schmerzhaft „touchiert“ oder ihm der Kopf herumgezogen wird.
Versteht mich nicht falsch, ich verteufele grundsätzlich nichts: Viele Trainer legen großen Wert darauf, dass ihre Pferde freudig mitarbeiten. Sie trainieren fair, kleinschrittig und positiv.

Zu guter Letzt: Ich habe auf der Equitana 2017 auch schön gerittene und wunderbar gearbeitete Pferde gesehen. Es gibt tolle Trainer, die meist durch unspektakuläre Arbeit mit zufriedenen, freudigen Pferden auffallen. Ich wünsche mir, dass deren Arbeit in Zukunft beklatscht wird und immer seltener mit gestressten und gebrochenen Pferden Geld verdient wird.

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Kommentare

Also ich habe ehrlich gesagt, diesen Artikel mit gemischten Gefühlen gelesen, denn wenn man das so zuende denkt, wird es irgendwann keine Pferde mehr geben. Wir Menschen haben den Pferden ihren Lebensraum genommen und sie sind so anpassungsfähig, dass sie einen Weg finden, zu überleben, indem sie mit uns Menschen kooperieren. Kein Pferd sollte lahm gehen in einer Show, aber die Ursachen kennen wir nicht und wir wissen auch nicht, ob wirklich Zwang im Spiel war oder ob es einfach Pferde mit Jobs sind, die mal mehr mal weniger Lust auf ihren Job "Showpferd" haben. Es ist immer leicht (über andere) zu urteilen.

Danke, Nicola. Das ist ein sehr guter Aspekt und etwas, das mich ebenfalls beschäftigt. Pferde (und Kühe!) hatten in der Vergangenheit oft einen sehr wichtigen Beitrag zum täglichen Brot der Menschen beizutragen. (Auch mein Grossvater hat noch Kühe vor seine Ackergeräte gespannt!) Tiere waren oft unverzichtbar, um das harte tägliche Leben meistern zu können.

In diesem Sinne sind auch Show- und Sportpferde Arbeiter, die dafür sorgen, dass ihr Mensch und sie selber überleben können; beide profitieren vom Erfolg dieser Aufführungen.

Was beeinflussbar bleibt ist wohl die Einstellung, mit welcher Menschen ihre Tiere zu (Höchst-)Leistungen anspornen. Wenn da Respekt zu spüren ist, wird das auch von den Zuschauern honoriert werden; so hoffe ich.

Von manchen Zuschauern wird das durchaus honoriert. Andere sehen Dinge, wo ich mich wirklich frage, ob diese Menschen auf derselben Messe waren wie ich. Da wird dann behauptet 90 Prozent der Pferde auf der Equitana seien lahm gegangen und die Westernpferde wären alle "platt". Man sollte bei solchen Äußerungen sehr vorsichtig sein und sich auch fragen - WER diese Äußerungen tut. Ich habe nichts gegen Freizeitreiter, aber auch da gibt es Menschen, die ihr Pferd über alles lieben, es aber aus Unkenntnis heraus gesundheitlich schädigen. Du glaubst nicht wie oft ich schon den Spruch gehört habe: "Ich bin doch nur Freizeitreiter, ich brauche keinen Unterricht." und dann haben Pferde auch degenerative Schäden, über die kaum jemand redet, außer dieser Tierarzt, den ich hier zitiere: http://www.12oaks-ranch.de/denkanst%C3%B6%C3%9Fe/warum-dehnungshaltung/