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Wunderbare Freiarbeit (2)

von | Jul 25, 2022 | Ausbildung, Psychologie

Eine Erlebnisreise in die Freiheit und das Glücklich-Miteinander-Sein: Eine dreiteilige, so erlebte Geschichte, über die Freiarbeit von Dr. Christiane Gittner von Pferdeausbildung mit Spaß und ihrer königlichen Friesenstute Paula.

Wunderbare Freiarbeit – Teil 2

Eine Erlebnisreise in die Freiheit und das Glücklich-Miteinander-Sein

Eine dreiteilige, so erlebte Geschichte, über die Freiarbeit von Dr. Christiane Gittner von Pferdeausbildung mit Spaß und ihrer königlichen Friesenstute Paula.

Die Anfänge: der Wunsch nach „mehr“ ! und der Tiefpunkt

Als der Zufall Paula und mich zusammenführte, suchten wir uns gegenseitig aus – sie zeigte mir, nicht mal 2jährig und noch eher klein für ihr Alter, was sie „drauf“ hat, und ich war sofort absolut fasziniert davon.

Dieses leicht zerzauste, bräunlich-schwarze Friesenstütchen in ungefähr Pony-Endmaß verkörperte all das, was ich seit jeher in den Pferden sah, und was doch viel zu vielen Pferden verloren gegangen ist in der Obhut der Menschen: Freiheit, Stolz, Charme und eine Selbsthaltung, die ihresgleichen suchte und die diesen Namen auch verdiente. Es war klar, und ich glaube sagen zu können für uns beide: diese oder keine!

Archiv – Paula und Christiane

So holte ich sie eine Woche später ab. Nicht einmal 2 Jahre jung stieg sie mit einer Würde und Selbstverständlichkeit in meinen Anhänger, als hätte sie nie etwas anderes getan, mit dem ihr eigenen Urvertrauen, vor allem in sich selbst, bereit für ihr neues Leben und vollkommen einverstanden damit – obwohl sie es dort sehr gut hatte, wo ich sie kennenlernte, und wo sie mich sofort in ihren Bann zog.

Und so blieb das auch. Wo immer wir später zusammen hinfuhren, stieg sie so entspannt wieder aus wie sie eingestiegen war, checkte am Zielort die Lage, und war zufrieden, wenn es genug zu fressen und gutes Wasser gab und der ihr zugewiesene Aufenthaltsort auch genug rund-um-Blick bot. Ansonsten machte sie den vorhandenen Pferden klar, dass sie jetzt hier Chefin ist und damit hatte sich’s.
Dazu brauchte sie niemals großen Aufwand betreiben, ihre souveräne Selbstverständlichkeit, ihr majestätisches Auftreten, ihre Sicherheit und Präsenz ließen bei den anderen Pferden einfach keine Fragen offen.

Wenn ich auf den Punkt bringen müsste, was Paula besonders für mich und die Mädels hier ausgemacht hat, ist das eben ihre unglaublich selbstverständliche Präsenz, innere Ruhe und Souveränität. Sie hatte es einfach nicht nötig, sich über irgendetwas zu ereifern, außer über Trecker, aber eine Schwäche im Leben hat wohl jeder.

Den Pferden zuliebe gemogelt

Und das darf man sich gegenseitig nicht übel nehmen. Besser ist es, man geht liebevoll und unterstützend damit um, und das haben wir gegenseitig gemacht. ;Paula hat mich geduldig besser werden lassen, und ich habe zugesehen, dass ich auf meinem Weg ein besserer Pferdemensch zu werden, nichts unversucht lasse. Das bedeutete auch, dass ich es nicht oder nur sehr abgeschwächt so machte, wie man es mir im Unterricht sagte, wenn ich dabei das Gefühl hatte, das geht so nicht für Paula, oder für die anderen Pferde. Ich habe dann einfach heimlich ein bisschen „gemogelt“, meinen Pferden zuliebe.

Es hat sich auf unseren Wegen nie als richtig erwiesen, gegen das Bauchgefühl zu gehen. Wenn ich aber meinem Bauchgefühl gefolgt bin, war es immer richtig und gut für uns. Es tut mir so leid um jedes Mal, wo ich das versäumt habe. Paula war so klug, so weise, sie hat gewusst, dass ich mein Bestes gebe, und deswegen hat sie mir all meine Fehler und Unzulänglichkeiten verziehen, und ich ihr die ihren.

Wer eine solche Führungspersönlichkeit wie Paula um sich haben darf, kann wahrlich viel von ihr lernen – und muss es auch! Wie sonst könnten wir eine solche Königin davon überzeugen, sich mit uns befassen zu wollen, sich auf uns einlassen zu wollen und mit uns Sein und Tun zu wollen?

Paula und Maila

Foto: Christiane Gittner – Paula und Maila, zwei, die sich gefunden hatten, vor allem wenn es um das Wohl der Herde ging, Maila wurde praktisch Paulas rechte Hand in Führungsaufgaben.


Unser Weg verlief so ganz gut, das Übliche „klappte“, solche Dinge wie Führen, Longieren, Arbeit an der Hand, und dann auch unter dem Sattel, auf dem Platz und draußen, unter klassisch-barocken Gesichtspunkten. Ich hatte ab und zu guten Unterricht in dieser Richtung und so kamen wir an sich ganz gut voran, ich wurde besser und geschickter in der Technik und auch sicherer mit allem

In der frühen Phase des Reitens war ich oft auf mich alleine gestellt, aber Paula brachte mich niemals in „Wohnungsnot“ oder sonstige Gefahr, also war es okay für uns. Ich war ja kein Anfänger mehr und konnte schon so einiges, wie z.B. Ausbildung an der Hand sowie Longieren und ein paar Lektionen wie die Seitengänge nach klassisch-barocken Gesichtspunkten, das hatten wir damals schon „im Programm“. Es waren noch nicht so viele Pferde, die ich ausgebildet hatte, aber wir kamen jedenfalls so ganz gut zurecht und ich war im Großen und Ganzen nicht unglücklich über unsere Entwicklung. Zumal Paula einfach unerschütterlich war und so eine wunderbare Ausstrahlung hatte, die mich wirklich immer schon glücklich machte.

Paula und Christiane

Foto: Thomas Philippus – Paula und Christiane


Was ich vermisste war jedoch eine gewisse Leichtigkeit, und obwohl ich Details brauchte und all die kleinen Mosaiksteinchen so liebe, „verkopfte“ ich auch schnell zu sehr. Das beobachte ich auch bei anderen Menschen oft.

Als ich einmal eine wunderbare Ausbilderin hier hatte, die mich zu mehr Unbeschwertheit und „einfach machen“ ermunterte, konnte ich dies leider noch nicht wirklich umsetzen. Zu gefangen war ich noch in diesen ganzen „es muss nur so sein und nicht anders“ Ansagen der meisten anderen Ausbilder und dadurch zu blockiert. Und ich stand mir selbst im Weg mit zu viel Nachdenken. Die Dosis macht das Gift, und so will auch die Dosis an Wissensaneignung gut überlegt sein.

Auch Paula, von sich aus sowieso eher der gemütliche Typ, lief immer ein bisschen wie „mit angezogener Handbremse“, und es war schwierig, sie von dieser bewegungsminimalistischen Einstellung zu mehr „Go“ zu bewegen, außer, es kam wirklich drauf an, dann konnte ich voll auf sie zählen. So zum Beispiel bei der gestrengen Friesen-Zuchtschau, wo sie dreijährig von über 30 Stuten zur Eintragung die Beste war und als einzige „Ster“ erklärt wurde, oder auch bei dem einen oder anderen kleinen Show-Auftritt … Sie ließ mich nie hängen, wenn es drauf ankam! Und ich sie auch nicht.

Nach unserem Umzug auf unseren jetzigen Hof begann meine Suche am neuen Wohnort nach geeigneten Trainern in der Nähe, und weil ich niemanden der klassisch-barocken Reiterei hier fand, ging ich um überhaupt mal wieder Unterricht zu haben zunächst zum Unterricht, der klassisch-englisch, also FN-basiert war.

Das ständige “mehr vorwärts” machte uns unmotiviert

Dies stellte mich so wenig wie Paula zufrieden, denn das ständige „mehr vorwärts“ machte uns unmotiviert, weil es nicht zu schaffen war für uns und so wurden wir eher langsamer. Da halfen auch keine Sporen, die man mir antrug und die ich sofort wieder ab ließ, weil es unser Motivationsproblem nicht änderte, sondern eher noch Paula demotivierte und fest werden ließ, weswegen sie eher noch zähflüssiger wurde. Und mir ging es genauso wie ihr.

Also fuhr ich wieder zu Kursen, aber leider wurde uns von wenigen Ausnahmen abgesehen immer wieder vermittelt, wir müssten doch mehr vorwärts, mehr Fleiß und Energie an den Tag legen. Einmal wollte mir jemand zeigen, wie eine Galopphilfe sofort ! vom Pferd umzusetzen ist, dabei wurde sogar mit drei Hieben eine Gerte auf ihr kaputt geschlagen bevor ich eingreifen konnte – ich weiß nicht, wie man so etwas einem Lebewesen antun kann? Was sollten wir wohl davon lernen? Wie man ein anderes Wesen unterwirft? Die betreffende Person hatte unverzüglich abzusteigen und das war’s mit unserem Unterricht, so etwas Grobes, ja Brutales dulde ich nicht! Den Schmerz und wohl auch das Entsetzen, das Paula gefühlt haben musste und stumpf aushielt, fühlte ich in meinem Inneren, und es schnitt mir ins Herz, dass ich nicht schnell genug war um das zu verhindern, so geschockt und erstarrt wie ich war.

Aus einem Irrtum wird keine Wahrheit, auch wenn man ihn noch so weit verbreitet. Aus einer Wahrheit wird kein Irrtum, selbst wenn kein Mensch sie sieht. – Mahatma Gandhi

Zum Glück gab es in der Zeit auch schöne Kurse, an denen ich teilnehmen konnte, und wir lernten ein bisschen Neues dazu und auch Verfeinerungen. Wir arbeiteten an unserer Technik, wurden besser, und das brachte uns angenehm weiter und fühlte sich oft schon ganz gut an, aber irgendetwas fehlte uns dennoch, etwas, was uns hätte noch mehr ergänzen und beflügeln können.

Also hieß es weitersuchen. Obwohl der Unterricht wirklich gut war, und Paula und ich uns recht wohlfühlten, zog sich doch immer wieder wie ein roter Faden durch unsere Bemühungen, dass Paula besser „zünden“ müsste. Und irgendwie bezogen sich die ganzen wirklich guten Anregungen aber fast ausschließlich auf ihren Körper, und wie wir ihn besser ausformen oder trainieren könnten.

Nicht nur Körper, sondern auch Geist!

Leider wurde übersehen oder besser gesagt, es stand nicht ausreichend im Focus, dass Paula nicht nur einen Körper hat, sondern auch einen Geist, und dass sie eine solche stolze Persönlichkeit war – sah denn niemand was für eine Königin meine Paula war?

Paula und Christiane

Foto: Laura Herale von Lovely Moments – Paula und Christiane


Ein Friese läuft wie ein Friese

In einem vielversprechendem Kurs mit einigem Publikum wurden wir – wie so oft – vor allem auf das mangelnde Vorwärts-Zünden reduziert, während unsere Stärken übergangen wurden, jedenfalls fanden sie keine Erwähnung, z.B. wie schön Paula am Maul war, wie fein sie auf dem Gebiss murmelte und wie wunderschön ihre Selbsthaltung war und erst recht ihre selbstbewusste schöne Ausstrahlung, und wie viel Mühe sie sich gab in den Seitengängen.

Hm, dachte ich, sie ist doch ein Friese, kein Vollblut, also läuft sie auch wie ein Friese.

Na, das Ende vom Lied war, ich flüsterte ihr meine ehrliche Entschuldigung in ihr puscheliges Ohr, noch während meiner Unterrichtseinheit, und flehte sie an das noch irgendwie durchzustehen – denn wer war ich schon, dass ich einer angesehenen Trainerpersönlichkeit hätte gegenüber äußern können, noch dazu vor Publikum, was mir durch den Kopf ging? Leider fehlten mir dafür damals das Selbstbewusstsein und der Mut, in einer solchen Situation für uns einzustehen.

Ich wusste, dass Paula verstand, dass ich mich nach Kräften bemühen würde, sie so wenig wie möglich mit diesem Vorwärts zu drangsalieren und so gut „mogeln“ würde wie ich es eben vermochte.

Und ich versprach ihr hoch und heilig, dass ich nie, nie wieder mit ihr zu einem solchen Kurs fahre, so lange ich meiner Selbst nicht sicher genug bin, meine Bedenken immer zu äußern, und daran hielt ich mich auch.

Später habe ich es wirklich geschafft freundlich-konstruktiv und begründet zu äußern, wenn ich etwas anderes dachte, fühlte oder meinte, und das war gut so. Die Ausbilder, die ich für uns aussuchte, waren aber auch so, dass sie das sogar begrüßten, und ich finde, so sollte das immer sein, wenn jemand gute Gründe hat. Es gibt so viele Wege, Ansätze, Ideen – warum sich ihrer nicht wie an einem bunten Buffet der Möglichkeiten bedienen?

In jenem Kurs übrigens kam eine der anderen Kursteilnehmerinnen zu mir, die gespürt hatte, was da mit uns vor sich ging, und sagte zu mir:

Dein Pferd ist wirklich eine wahre Königin!

Das hat mich so unfassbar innig gefreut, dass es jemanden gab, der Paula so sah wie ich, so fühlte wie ich und dann auch noch die Größe hatte es zu mir zu sagen und sich mit mir über mein tolles Pferd zu freuen!

Und so freuten wir uns zusammen über meine Paula und über ihre Stute, die eine wirklich bezaubernde feine Prinzessin war. Das ist wirklich doppelte Freude, weil man es doppelt erlebt!

Das vermisse ich oft unter den Menschen, dass sie jemandem einfach etwas Schönes sagen und sich mit jemandem zusammen über sein schönes Pferd, oder etwas was besonders gut war, freuen können. Auch deshalb versuche ich immer daran zu denken, wenn ich etwas Schönes vor mir sehe, dass ich das dann auch sage. Das macht etwas Wunderbares mit Mensch und Pferd, sie werden tatsächlich noch schöner dadurch!

Wenn man das Pferd zu der Haltung bringt, die es selbst annimmt, wenn es schön sein will, so macht man, dass das Pferd des Reitens froh und prächtig, stolz und sehenswert erscheint.- Xenophon

Paula und Christiane

Foto: Christian Gittner – Maila und Christiane


Frustriert, unglücklich und mit schlechtem Gewissen

Nach jenem Kurs wieder Zuhause war ich völlig frustriert, dazu voll mit schlechtem Gewissen gegenüber Paula, was ich ihr zugemutet hatte, und mit mir gram, dass ich unfähig bin und es am besten überhaupt lasse mit dem Reiten und es vielleicht einfach ganz sein lasse mit den Pferden.

Aber ein Leben ohne Pferde? Nein, und das wurde mir tatsächlich auch nicht gerecht, denn bei aller Selbstkritik darf ich wohl von mir sagen, dass ich schon immer recht fein und empathisch mit den Pferden war. Nur, wie konnte ich Paula nicht nur Zufriedenheit, sondern sogar Freude und am besten ein Lächeln ins Gesicht zaubern bei unserem gemeinsamen Tun, wie ihre wundervolle Ausstrahlung zurück gewinnen?

Ich dachte also erstmal ungefähr 3 Wochen lang nach. Es war Ende November, unser Platz matschig, denn es war nur ein Stück abgezäunte Wiese. So konnten wir ja sowieso nicht weiter üben, jedenfalls nichts, was man normalerweise so übt, weil es zu schlickig und rutschig war – aber genau das sollte uns bald zum Vorteil gereichen.

Am Ende vielen Nachdenkens kam ich bei aller Selbstkritik zu folgenden Schlüssen:

  • Wir werden irgendwie zu sehr darauf reduziert, dass Paula behäbiger ist und nicht so zündet wie zum Beispiel ein Vollblut – aber warum nur sieht niemand ihre tollen Seiten, von denen sie mehr als genug hat? Warum nicht an denen orientieren? Warum wird nicht gesehen, wie fein sie kaut, wie lieb sie alles mitmacht, und überhaupt wie viel Mühe sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten immer gibt! Das ist doch nicht fair! Das Problem war, dass ich mich immer wieder hatte verunsichern lassen und deswegen auf unserem Weg herumschlingerte, so fühlte es sich an. Und weil ich dachte, na, der Ausbilder hat wohl Recht, mit all seiner Erfahrung, und ich irre mich und sollte es so machen, wie man mir sagt. Das versuchte ich auch, denn eine Chance müssen die Anmerkungen ja bekommen, ich will ja schließlich etwas lernen und mich verbessern. Aber: wenn es nicht mit meinem Bauchgefühl übereinstimmt und sich nicht richtig anfühlt, dann ist es auch nicht richtig. Was sich aber gut anfühlt, das ist auch gut! So war es im Nachhinein betrachtet immer, und dagegen zu agieren, darauf würde ich mich jedenfalls nie mehr einlassen! Ein Pferd ist doch eine Persönlichkeit mit Befindlichkeiten – vielleicht kann es grade nicht so wie wir uns das wünschen? Oder überhaupt nicht? Und es hat einen eigenen Willen – vielleicht hat es nicht immer Lust, oder vielleicht hat es mehr Lust zu etwas ganz anderem? Das ist doch legitim, es ist ja immerhin ein Lebewesen, keine Maschine, bei der man quasi wie auf Knopfdruck immer alles abrufen kann – „abrufen“, das ist auch so ein Begriff, den ich gar nicht mag.
  • Wenn so ein toller Ausbilder uns so unterrichtet, dass wir hinterher beide gar keine Lust mehr haben und voller Selbstzweifel und Frust an’s Aufgeben denken und ohne jegliche Idee da stehen, wie wir beide Neues dazu lernen und vor allem dabei noch mehr Spaß haben könnten, dann ist er mit einem Tunnelblick seines Systems unterwegs und hat leider nicht genug Einfühlungsvermögen und Ideen für ein Pferd-Mensch-Paar, wo diese Methode nicht einfach so funktioniert. Und völlig talentfrei waren weder Paula noch ich, das sah und das fühlte ich, und auch das darf ich wohl in aller Bescheidenheit von uns sagen. Es gibt immer einen Weg, und es gibt so viele Ideen – mich darin zu unterstützen diesen zu finden, das erwarte ich von einem guten Ausbilder und ebenso von den Methoden und Systemen: mehr Flexibilität, Augenmaß und Individualität. Und ich erwarte von einem guten Ausbilder, dass er unsere Stärken erkennt, sie hervorholt, wenn sie verschüttet sind, und dass er sie als Grundlage für alles weitere nimmt. Alles was wir machen sollte doch für’s Pferd da sein und gut für uns beide sein, und nicht vor allem der Methode verpflichtet sein! Inzwischen hat sich da aber einiges getan, zum Glück.
  • Also finden wir unseren eigenen Weg! Und den bereichern wir dann mit allem, was wir bisher gelernt haben, was wir noch finden und was wir dazu lernen werden unter der Voraussetzung, dass es zu uns beiden passt. Wie ich in der Einleitung sagte: es gibt unendlich viele Wege und Möglichkeiten, nämlich etwa so viele, wie es Individuen und Paare aus Individuen gibt.

Ihr merkt es schon: es wurde aus „Paula und ich“, immer mehr eine wirkliche Einheit, ein WIR.

Ziemlich großer Frust und ein Versprechen:

Ein neuer Anfang muss her!

Das Versprechen, dass ich Paula in jenem Kurs gegeben hatte, hielt ich, es war sinngemäß: „Ich mach das so nie wieder, auch wenn ich gerade nicht weiß, wie wir es anders machen können, aber dann warten wir eben, bis uns etwas Gutes einfällt und machen bis dahin eben weniger, oder etwas ganz anderes.“

Maila, Paula und Christiane

Foto: Christian Gittner – Maila, Paula und Christiane


Wir beide brauchten ganz etwas anderes!

Tja, also musste ich mir etwas überlegen. Ich würde jemanden finden müssen, der Paula genau so sah wie ich, der uns aber mit mehr Erfahrung als ich sie hatte noch mehr zeigen könnte.

Es musste zwingend jemand sein, der in der Lage war zu erkennen, dass mein tolles Pferd all das gab, was es unter unseren Voraussetzungen geben konnte, und das war nichts Geringeres als sein Bestmögliches! Und mehr kann es doch nicht tun! Es war tatsächlich selten genug, was sie tat und was sie gab – aber wie frustrierend ist das denn bitte? Ich spürte, da würde noch mehr gehen, aber wie es hervor holen? Wir beide brauchten etwas ganz anderes, und das würden wir suchen!

Eines war jedenfalls klar: alles Herkömmliche an „Ausbildung“ „funktionierte irgendwie mehr oder weniger“, aber das war es dann auch schon. Und genau das reichte weder Paula noch mir.

Wo war denn die ganze Freiheit hin, die Paula einst ausstrahlte, der Stolz, die Energie, die Freude? Das war uns ein bisschen zu sehr abhandengekommen. Wo war er hin, der Zauber, und wie konnten wir ihn wieder finden? Wie konnte ich es erreichen, dass Paula auch mit mir so wunderwunderschön zusammen sein und tun konnte, wollte und würde, wie sie am ersten Tag unserer Begegnung war?

Das Allerallerschönste mit den Pferden ist für mich – ich sagte es weiter oben schon – wenn sich die Pferde mit mir so wohl und glücklich fühlen wie ich mich mit ihnen und vor allem wie wenn sie „frei“ sind: nur dann ist mir unser gemeinsames Tun eine Freude, denn es ist für mich untrennbar miteinander verbunden, dass es meinem Pferd so viel Spaß macht wie mir.

Das Pferd muss Freude an der Arbeit haben. Ohne die wird weder das Pferd noch der Reiter jemals anmutig sein.“ – Antoine de Pluvinel

Maila und Christiane

Foto: Marissa Fromme von Magic Moments – Maila und Christiane


Und wieder war ich ein bisschen in Richtung unterwegs wie zu jenem Punkt, an dem ich damals schon bei den Schulpferden war, bei denen ich jedes Gefühl von Freiheit und Hoffnung auf die Schönheit, die das Leben bieten kann, vermisste, weil sie in dunklen Boxen mit wenig Freigang gehalten wurden, dazu oft mit Ausbindern und sonstigen Riemen verschnallt und mit ständig wechselnden Menschen zurechtkommen mussten, die ja überwiegend das Reiten erst einmal lernen mussten.

Ja, das Reiten, es ging irgendwie meistens nur um’s Reiten, aber wo war die schöne Zeit mit dem LEBEWESEN PFERD? Ich wollte doch Zeit mit ihnen verbringen, sie kennenlernen, sie liebhaben, einfach nur bei ihnen sein und sie schön und süß finden, in ihre wunderschönen Augen schauen, ihre samtweichen Nasen streicheln oder ihr wunderschönes Fell – das konnte doch nicht nur auf’s Reiten beschränkt sein? Sie wurden mit gutem Futter versorgt und gepflegt, aber sie hatten kein pferdegerechtes Leben mit Freiheiten und Sozialkontakten, und kamen meistens nur aus den Boxen, um geritten zu werden.

Das tat mir so leid! Das war doch nicht richtig! Ich tat mein Bestes für die braven Schulpferde, und natürlich besonders für die, die als nicht brav galten – ich fühlte, dass sie nichts dafür konnten, und ich fühlte, dass sie auch für mich ihr Bestes gaben … So oft denke ich an sie, meine ersten Lehrmeister, ich weiß all ihre Namen und Besonderheiten noch, und ich war damals und bin immer noch unendlich traurig, weil ich sie nicht „retten“ konnte. Wie gern hätte ich sie allesamt frei gekauft, um ihnen ein Leben zu ermöglichen, wie Pferde es haben sollten – und wie es Paula stets hatte: sich frei bewegen, sich kraulen und einfach ganz eng beieinander stehen zu können, so wie es soziale Wesen brauchen und möchten.

Das Wissen um die wahre Natur der Pferde ist die erste Grundlage der Reitkunst und jeder Reiter muss daraus sein Hauptfach machen. – Francois Robichon de la Guérinière

Ja, das war es: Freiheit! Das war unser Stichwort:

Wir brauchten mehr Freiheit!

Wir mussten uns befreien von zu unflexiblen Ansätzen und Scheuklappen-Denken. Methoden ergeben ihren Sinn und sind oft so hilfreich für alles Mögliche, sie geben eine Struktur, sie sind gut als Orientierungshilfe. Wenn es aber nun mal bei einem Pferd nicht gut klappt, dann kann das doch nicht alles sein, dann müsste doch mehr Flexibilität, Kreativität und Freiheit sein dürfen?

Unsere Freundschaft gehörte wieder an die oberste Stelle und Punkt. Pferde sind unfassbar gute Freunde, wer jemals ein Pferd zum Freund hatte, der weiß das!

„Okay, Paula, Du hast es ja auch erlebt, wie es eben ist“ sagte ich zu ihr „ich habe zwar jetzt nicht sofort die zündende Idee, wie wir das finden, was wir möchten, aber weißt Du, wir denken am besten einfach selber nach“. Und das taten wir, und zwar beide.

Zu welchen Schlüssen wir dabei kamen, mit welchen Gedanken wir sie in die Tat umsetzten und wie das unser ganzes miteinander Sein und Tun verschönert hat, das erfahrt Ihr in der nächsten Folge.

… und nie den Spaß, die Freude an der Reiterei vergessen!

Paula, Blanche und Christiane

Foto: Tania Konnerth – Paula, Blanche und Christiane

Christiane Gittner

 

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