Weideunfall - was bezahlt meine Versicherung? | 4my.horse

Suche

  • Folge uns auf

Weideunfall - was bezahlt meine Versicherung?

Weideunfall – meine Versicherung zahlt nur 50%.

Was soll ich jetzt bloß machen?

Autor: Dennis Keller, Vierpfotenmakler

Bild: Manuela Feiler

Als „Weideunfall“ werden in unserem Reiter-Vokabular zwei Dinge bezeichnet: der „versehentliche“ Nachwuchs, wenn Mami-Pferd und Papi-Pferd sich lieber gehabt haben als deren Halter lieb ist – oder wenn sich zwei Pferde gegenseitig verprügeln und am Ende einer in seiner Ecke steht und weint. Um letzteren Fall geht es in diesem Blogbeitrag.

Der Schrecken ist bei allen Beteiligten oft groß, wenn der Haftpflichtversicherer nach der Prüfung der Sachlage mitteilt, dass nur 50% des Schadens getragen werden.

Die Folge: Der Halter des prügelnden Pferdes muss den Rest aus eigener Tasche zahlen. Es kann aber noch schlimmer kommen: Wenn in der Tierhalterhaftpflichtversicherung die Weideunfälle ausgeschlossen wurden, muss der Halter alles bezahlen!

Nein, das ist natürlich Quatsch! Die Wahrheit ist:

  1. Ich habe in über 20 Jahren noch kein einziges Bedingungswerk gelesen, in dem Weideunfälle explizit vom Versicherungsschutz ausgeschlossen werden. Ich habe auch noch nie einen Fall gesehen, in dem ein Versicherer die Regulierung eines Schadenfalles mit eben jener Begründung abgelehnt hat. Bis zum Beweis des Gegenteils können wir also festhalten: Es gibt keine Tierhalter-Haftpflichtversicherung, die Weideunfälle aus dem Versicherungsschutz ausschließt. Wer eine solche Police bzw. ein solches Bedingungswerk findet: bitte sende sie mir zu! Ich wäre darüber sehr dankbar!
  2. Nein, man muss nicht die Differenz zahlen, wenn ein Versicherer nur 50% (oder einen anderen, x-beliebigen %-Satz) des Schadens bezahlt.

Wieso wird denn so oft nur 50% vom Schaden gezahlt?

Ab hier werde ich erläutern, wie es zu diesem ominösen „50:50-Märchen“ kommt, wieso die Versicherer dieses Märchen so gerne erzählen und was alle Beteiligten tun sollten. Hierzu müssen wir uns zwei Dinge anschauen:

1. Das Wesen der Haftpflichtversicherung; im Allgemeinen

Jede Haftpflichtversicherung beinhaltet zwei grundlegende Leistungsmerkmale:

a) die Prüfung der Rechtslage – es wird geprüft, ob überhaupt ein Schadensersatzanspruch dem Grunde besteht. Danach wird die Höhe dieses Anspruches geprüft.

b) Nachdem a) abgeschlossen ist, wird die entsprechende Summe an den Geschädigten geleistet.

Die Prüfung der Sach- und Rechtslage kann zu dem Ergebnis führen, dass ein Geschädigter entweder gar keinen, einen verminderten oder einen vollumfänglichen Schadensersatzanspruch hat. Der berechtigte Anspruch wird befriedigt – der Rest nicht. Das ist ja auch logisch. Gäbe es keine Versicherung und müssten wir selbst zahlen, so würden wir dem Geschädigten ja auch nur das ersetzen, was ihm zusteht. Fordert der Geschädigte mehr, so übernimmt ein Haftpflichtversicherer die Abwehr der unberechtigten Forderungen.

Daraus resultiert: eine Haftpflichtversicherung übernimmt grundsätzlich immer 100% dessen, was der Versicherte selbst zahlen müsste. Als Versicherter kann man sich im Schadenfall also stets entspannt zurück lehnen und einen Tee trinken. Man muss niemals (!) aus eigener Tasche dazu zahlen, wenn der Versicherer die Leistung wie oben beschrieben kürzt. Ansonsten würde ja auch der ganze Sinn und Zweck der Sache ad absurdum geführt.

Kommen wir nun zu Punkt 2:

2. Das Wesen der Haftpflichtversicherer im Speziellen

Hier geht es um die Zahlungsmoral der Versicherer im Schadenfall. Zur Klarstellung sei vorweg gesagt: Grundsätzlich muss ich den allermeisten Versicherern – entgegen der landläufigen Meinung – ein gutes Zeugnis hinsichtlich der Schadensregulierung ausstellen. Da ich nur ein kleines Licht bin, dessen Meinung nun nicht als Referenz zählen kann, füge ich hinzu: Nicht nur ich sehe das so, sondern auch der weit überwiegende Teil sämtlicher Makler-Kollegen (ich sehe sie nicht als Konkurrenten an) gibt den Versicherern in anonymen Umfragen überwiegend gute bis sehr gute Noten hinsichtlich deren Regulierungspraxis. Dass ein Makler vom Grundsatz her als „Feind“ des Versicherers gilt (gelten muss), der im Gegensatz zum Vertreter nicht deren Lied singen muss und demnach offen sagen kann was er denkt, setze ich an dieser Stelle als bekannt voraus.

Aber es gibt auch ganz klare Schwachpunkte in der Schadenregulierung – und da sind wir bei unseren Koppelunfällen:

Ja, es gibt Fälle, in denen der Geschädigte keinen vollen (oder auch gar keinen) Schadensersatzanspruch geltend machen oder durchsetzen kann. Klassisches Beispiel: zwei Pferde prügeln sich und eines von beiden „verliert“. Da das geschädigte Pferd aktiv mitgewirkt hat, muss sich dessen Halter eine „Mitschuld“ anrechnen lassen („Schuld“ im übertragenen Sinne). Hier kann die Anwendung der „50:50-Regel“ also korrekt sein.

Problematisch wird es aber schon dann, wenn niemand die Prügelei beobachtet hat. Stehen die beiden Pferde alleine auf der Koppel und eines von beiden hat eine Trittverletzung, die nachweislich von einem anderen Pferd stammt, dann kommt nur ein Pferd als „Täter“ in Frage. Dessen „Schuld“ ist also bewiesen. Nicht bewiesen ist an dieser Stelle, dass das getretene Pferd zuvor in irgendeiner Weise den Tritt provoziert hat. Hier wären demnach 100% des Schadens zu ersetzen; ein Abzug wegen „Mitschuld“ wäre unzulässig.

Gleiches gilt, wenn Zeugen beobachten, dass ein Pferd grundlos bzw. ohne erkennbaren Grund auf ein völlig passiv da stehendes Pferd losgeht und dieses verprügelt. Auch hier sind grundsätzlich 100% des Schadens zu ersetzen.

Wie hoch der berechtigte Schadensersatz angesetzt werden muss, ist also immer eine Einzelfallbetrachtung!

Zwei mal drei macht vier, wide-wide-witt und drei macht neune, ich mach mir die Welt, wide wide wie sie mir gefällt….!

Die Versicherer machen es sich an dieser Stelle jedoch gerne einfach und greifen immer wieder völlig hirnlos sinnbefreit in die 08/15-Schublade. Aus dieser Schublade greifen sich ein Urteil raus, bei dem 50% Schadensersatz berechtigt waren, beziehen sich darauf und leisten pauschal bei jedem Weideunfall einfach so nur 50%. Teils aus Ahnungslosigkeit (ja, ist so), teils weil es halt so schön einfach ist und Geld spart. Die Sache ist somit schnell vom Tisch, der Kunde muckt ja meist eh nicht auf (oder ist so blöd ein viel zu lieber Mensch und zahlt den Rest wirklich aus eigener Tasche!) oder der Geschädigte muckt nicht auf und die Sache verläuft schön fein im Sande. Na dolle Wurst.

Ich habe die Anwendung dieser „50:50-Regel“ schon bei den wildesten Dingen gefunden. In einem besonders absurden Fall führten zwei Reiterinnen ihre Pferde mit ausreichend Sicherheitsabstand einen sehr schmalen Weg entlang. Das vordere Pferd erschreckte sich vor irgendwas und polterte rückwärts. Die nachfolgende Reiterin konnte nicht ausweichen, es kam zum Zusammenstoß und das vordere Pferd trat dabei noch aus. Der Versicherer der Schädigerin zahlte nur 50% – mit der Begründung, dass das hintere Pferd durch bloße Anwesenheit Einfluss auf die Entstehung des Schadens genommen hätte. Ja klar, und Chuck Norris kann Drehtüren zu knallen… Bei manchen Begründungen fragt man sich echt, ob der Sachbearbeiter vollbescheuert ist was die Sachbearbeiter so alles rauchen…

Kurzum: Das kann es nicht sein und man sollte so etwas nicht widerspruchslos hinnehmen!

Was kann man nun dagegen tun?

Als Versicherter kann man hier recht wenig machen. Man „muss“ es ja auch nicht. Als Geschädigter sollte man aber definitiv dagegen vorgehen. Von einem Alleingang rate ich von vornherein ab – so etwas sollte man immer Profis überlassen, also: ab zum Anwalt und sich Schützenhilfe holen!

Jede „normale“ Rechtsschutzversicherung deckt einen solchen Fall – und auch die sonst von mir als Blödsinn bezeichnete „Pferde-Rechtsschutz“ kann hier tatsächlich mal nützlich werden (sofern kein „normaler“ Rechtsschutz besteht).

Wer es gleich richtig machen will, sucht sich natürlich einen reitenden und auf das Pferderecht spezialisierten Rechtsbeistand, z. B. die Daniela Lemke: zur Anwaltskanzlei

Ebenso zu empfehlen ist ihre Gruppe „Pferderecht“ auf Facebook: Pferderecht Dort antworten ausschließlich Profis (z. B. Daniela Lemke oder ich) auf Eure Fragen, es gibt kein fachlich unfundiertes Gequatsche von Laien.

Zum Abschluss

Du möchtest Dich künftig mit Deinen Versicherungsfragen auch gerne an jemanden wenden, der das so richtig kann und Dich vor den Machenschaften der Versicherer bewahrt? Ich kenne da so einen. Wie die Zusammenarbeit mit ihm funktioniert, schreibt er hier:

https://vierpfotenmakler.de/faq-makler-fragen/

Nach dem Lesen der FAQ kannst Du Dir gerne einen telefonischen Kennenlern-Termin buchen. Alles Weitere sehen wir dann. :o)

 

Bild: mit freundlicher Genehmigung von Mauela Feiler. Danke, Manu! :o)

Inhalt teilen: