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Tiere sind gleichwertige Partner

Interview mit Fredy Knie jun.

Tiere sind gleichwertige Partner

Der Zirkus Knie ist eine Institution in der Schweiz, welche die gleiche „Swissness“ geniesst wie das Matterhorn oder das Schweizer Sackmesser. Nebst vielen Akrobaten, Clowns und Comedians sind die Pferde ein grosses, wenn nicht das grösste Highlight im Programm. Untrennbar mit diesen verbunden ist der Name Fredy Knie jun. PASSION freut sich, mit dem anerkannten und international bekannten Pferdekenner ein Interview zu führen zum Thema „Gewalt im Umgang mit Pferden“.

Dieser Artikel ist in der PASSION 1/2016 erschienen. 

Fredy Knie jun.

Theres Misar, PASSION: Heutzutage gibt es kaum ein Ausbilder, der in seinem Programm nicht Slogans wie: „Gewaltfrei, sanft, ohne Druck“ verwendet. Das erweckt den Eindruck, als hätte man zu früheren Zeiten die Pferde zum Gewünschten „geprügelt“?

Fredy Knie jun.: Früher gab es beides, sowohl Gewalt, wie auch einen sanften, korrekten und pferdefreundlichen Umgang. Heute gibt es viel mehr „sanft“, aber gleichzeitig immer noch Gewalt. Für mich gibt es nur einen Weg, ich akzeptiere nur gewaltfrei.

Wann beginnt Gewalt und wo ist es noch Konsequenz?

Bis zur Gewaltanwendung darf es nie kommen, Konsequenz bedeutet noch nicht Gewalt. Aber stetiges Wiederholen einer Lektion, welche das Pferd noch nicht beherrscht oder nicht weiss, was von ihm verlangt wird, kann sehr wohl schon „Gewalt“ sein. Frei nach dem Motto: „Bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt“.

Bei Strafe eines Pferdes oder einem raueren Umgang mit ihm, wird oft das Argument gebracht: „Pferde gehen in der Herde auch nicht zimperlich miteinander um“. Kann dieses Argument einer kritischen Betrachtung standhalten?

Klar gehen Sie nicht zimperlich miteinander um und es gibt auch Verletzungen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass wir Menschen es den Pferden gleichtun dürfen. Wir wollen ja keine Rangordnungskämpfe mit unseren Pferden ausfechten, sondern das Pferd dahin bewegen, dass es ein Partner wird, welcher mit uns zusammenarbeitet und nicht gegen uns.

Welche Unterschiede in der Ausbildung von Pferden gibt es von „früher zu heute“?

In der Kavallerie herrschte ein strenger Ton, das Pferd hatte zu gehorchen, es „musste“. Das hat sich stark positiv verändert, heute wird das Pferd als Partner wahrgenommen und nicht als „Gebrauchsobjekt“.

Wer Ihr Buch aufmerksam liest, komme zum Schluss, dass Sie Ihren Pferden keine Chance geben, zuerst etwas Falsches zu lernen, dass dann wieder mühsam umgelernt werden muss, ist das richtig?

Ja. Es liegt in der Kompetenz und Verantwortung des Menschen/Halter, dass wir den Pferden verständlich machen, was wir von ihnen wollen. Einem verdorbenem Pferd die Macken abzugewöhnen und korrigieren, ist um einiges mühsamer und langwieriger, als wenn ein junges Pferd von Beginn weg das Gewünschte richtig lernt.

Das Pferd in der Manege

Sie, Herr Knie, kaufen Ihre Pferde roh, das heisst sehr jung, etwa mit drei Jahren. So haben Sie die Gewährleistung, dass noch keine Untugenden antrainiert wurden. Was raten Sie all denen, die das nicht können oder wollen?

Es ist klar, dass nicht jeder ein junges Pferd ausbilden kann. Beim Kauf eines schon älteren und ausgebildetem Pferdes ist es sehr hilfreich, in Erfahrung zu bringen, durch wie viele „Hände“ das Pferd schon gegangen ist. Bei wie vielen Trainer es war und vor allem, wer hat was mit ihm gemacht.

Ein sanfter Umgang mit dem Wesen Pferd bedingt ein grosses Wissen und eine gefestigte Persönlichkeit. So gesehen dürften viele gar keine Pferde halten oder reiten?

Nein, das sehe ich nicht so. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Fehlt das Wissen oder das Können, sei es im Umgang oder im Reiten von Pferden, muss jeder/jede gewillt sein, sich helfen zu lassen, an sich zu arbeiten und die Hilfe und die Ratschläge auch anzunehmen und umsetzen.

Was tun mit schwierigen Pferden oder anders ausgedrückt, Pferde mit besonderen Bedürfnissen?

Auf das spezielle Wesen des jeweiligen Pferds eingehen, bereit sein, sich zu hinterfragen. Versteht das Pferd, was ich will? Muss ich einen anderen Weg einschlagen? Jedes Pferd ist individuell und braucht dementsprechend Unterstützung.

Herr Knie, haben Sie auch schon mal die Nerven verloren?

Jeder Mensch verliert mal die Nerven, aber dies darf man niemals am Pferd auslassen. Durchatmen, wieder runterkommen und ruhig weiterarbeiten, das ist die Devise.

„Testen“ die Pferde im Circus Knie auch?

Aber selbstverständlich tun sie das, es sind alles Kinder, Lausbuben halt. Das ist die grosse Herausforderung, in dieser Situation mit den Pferden einen Weg zu finden, ihnen einerseits die Grenzen aufzuzeigen und zu vermitteln, dass jetzt gearbeitet wird, ohne hart oder unfair zu werden, andererseits sie in ihrer Persönlichkeit und Wesensart zu respektieren. Nach dem Training darf dann wieder nach dem Gusto jedes einzelnen getobt und gespielt werden.

Pferdedressur

Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass junge Pferde viel Energie haben und die Konzentrationsfähigkeit und das Zuhören in diesem Kontext schwerfällt. Wie gehen Sie damit um?

Das Pferd ist ein Bewegungstier, es muss seine Energie ausleben und austoben können. Nach meinen Erfahrungen hat es sich bewährt, in solchen  Fällen die Lektionen kurz zu halten. Will man konzentriert mit Pferden arbeiten und sollen sie den Kopf bei der Sache haben, sollten die Lektionen nicht länger als 20 Minuten dauern. Wem das zu wenig ist, kann z.B. 20 Minuten am Morgen trainieren, danneine lange Pause einlegen und nochmals 20 Minuten am Nachmittag üben. Die eigentlichen Trainingseinheiten also eher kurz halten und dazwischen die Tiere laufen und sich frei bewegen lassen. So fällt es dem Pferd viel leichter, sich zu konzentrieren.

Kurse mit Zirkuslektionen boomen, bekommen Sie Konkurrenz?

Konkurrenz ist nichts Negatives, im Gegenteil, es belebt das Geschäft. Ich begrüsse gut ausgebildete Kenner und Könner, die einem interessierten Publikum das Wissen rund um Zirkuslektionen vermitteln. So gerne ich dieses Wissen auch vermitteln möchte, hat der Tag auch für mich 24 Stunden und der Betrieb „Zirkus“ braucht meine ganze Aufmerksamkeit und Energie. Es gibt aber in dieser Branche Trittbrettfahrer, die glauben eine vermeintliche Marktlücke entdeckt zu haben. Nur einen Wochenendkurs besuchen und sich danach als Könner und Lehrer ausgeben funktioniert nicht. Dieses Halbwissen schadet dann mehr, als es hilft.

Herr Knie, die Pferdewelt ist im Wandel. Viele althergebrachten Ansichten werdenneu überdacht oder hinterfragt. Wie sehen oder schätzen Sie die Situation ein?

Es wäre falsch zu sagen, dass früher alles schlecht war. Natürlich wurde früher auch vieles richtig gemacht. Für mich ist zentral, dass die Ansichten stetig überdacht und mithilfe neuer Erkenntnisse aktualisert werden.

 

Fredy Knie jun. mit einem seiner Schimmel

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