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Hungernde Pferde – nicht nur in Rumänien

von | Jan 21, 2021 | Fütterung

Warum Hunger bei Pferden gefährlich ist und warum hungernde Pferde nicht immer mager erscheinen. Ein Erfahrungsbericht mit medizinischer Aufklärung.

Hungernde Pferde, auch bei uns!

Warum Hunger gefährlich ist und warum hungernde Pferde nicht immer mager erscheinen

Autorin: Antoinette Hitzinger, Herzenssache Pferd

Starten wir mit einem Erlebnisbericht, den Herzenssache Pferd von einer Pferdebesitzerin erhalten hat:


Hunger und Futterneid

oder wie wir einfach nicht ins Schema F passten

Ich habe spät, mit Mitte 30 erst, angefangen zu reiten und mir nach 1,5 Jahren gleich mein erstes, eigenes Islandpferd gekauft.

Ich wusste, dass es ungünstig ist, sich als Anfänger ein Pferd zu kaufen. Deshalb habe ich mich bewusst für einen Stall mit Reitschule und Zucht entschieden, um Unterstützung direkt vor Ort zu haben. Ich war happy und ich belegte in der Zeit einige Kurse, machte das Longierabzeichen I vom IPZV und das Freizeitreitabzeichen bronze (Geländereiten in der Gruppe). So lernten wir fleissig zusammen und mein Pferd, ein 5jähriger, kräftiger Wallach, war immer super artig und lieb, wir hatten einfach eine gute Zeit. Mit den Jahren ist der Hof gewachsen. Als ich mein Pferd gekauft hatte, bestand die Wallach-Herde im Offenstall aus 30 bis 35 Pferden.

Nach 1-2 Jahren wuchs die Herde auf rund 40 Wallache. Man hat es erst nicht so bemerkt, aber es gab deutlich mehr Unruhe in der “Herde”, wenn die Jungpferde aus der Zucht zum Anreiten dazu gekommen sind.

Pferdefreunde necken sich

Alles wurde anders

Dann kam das dritte Jahr und alles wurde anders. Die Pferde drängten sich eng aneinander und wollten nicht mehr weg von den Raufen. Es wurde schwierig, die Pferde aus der Herde herauszuholen. Es wurde viel gequietscht, die Pferde liefen oft ungeduldig hin und her, es gab deutlich mehr Kämpfe – und die Pferde haben kaum noch gespielt. Ich hatte dann nach und nach das “Problem”, dass mein Pferd nicht mehr mit mir mitkommen wollte. Mein sonst so liebes, motiviertes Pferd – das war wirklich neu. Ich habe die Osteopathin geholt und die Sattlerin. Es war zwar nicht direkt etwas Auffälliges zu erkennen. Der Wirbelkanal des alten Sattels war inzwischen zu eng geworden. Aha dachte ich. Nachdem der neue Sattel dann gekommen war, ging es erstmal ein bisschen bergauf, zumindest eine kurze Weile. Dann kam wieder dieses total unmotivierte Verhalten.

Ich habe an mir selbst gezweifelt. Ich dachte, dass ich was falsch mache – doch das hat die Situation auch nicht wirklich verbessert. Ich wurde unsicher und mein Pferd wollte erst recht nicht mehr mit mir mit. Ich hatte schon wahrgenommen, dass sich die Fütterung geändert hatte. Früher gab es oft einen großen Ballen in den Raufen und es war quasi immer was zu fressen da. Jetzt wurde morgens ein Ballen auf 4 Raufen verteilt und abends nochmal dasselbe.

Ich kam an unterschiedlichen Tagen, zu allen möglichen Uhrzeiten, und stellte schnell fest, dass das Futter jeweils nach 2 Stunden weggefressen war! In diesen 2 Stunden war auch noch Stress: die ranghohen Pferde vertrieben die rangniederen von den Fressplätzen und wenn diese dann endlich satt waren, duften sich die Rangniederen um die letzten Reste kloppen.

Theoretisch genug Heu für alle – praktisch aber nicht

In der Theorie war es genug Heu, aber in der Praxis hat es mit der Verteilung über den Tag und unter den Pferden nicht funktioniert. Ich war frustriert, mein ehemals selbstbewusstes, immer motiviertes Pferd litt. Er hatte dann im Frühjahr wirklich viel abgenommen.

Der Stallbetreiber wollte nichts ändern

Beim Stallbetreiber stieß ich auf taube Ohren – der Tierarzt habe geschimpft, dass es zu viele dicke Pferde an unserem Hof gebe. Ich zahlte Vollpension und hatte ein ständig hungriges Pferd. Ich gab ihm jetzt immer ein paar Heucobs vor dem Reiten, um ihm etwas den Stress zu lindern. Er war übellaunig geworden – ausserdem hatte ich Bedenken, er könnte Magengeschwüre bekommen – wenn er sie denn nicht schon hatte.

Hast Du was für mich?

Dann passierte es:

Ich war mit ihm eine kurze Runde mit dem Reitpad in Hofnähe unterwegs. Auf dem Rückweg, 500m vor dem Stall, hörte ich, wie der Truck, der das Futter in die Raufen verteilte, angeworfen wurde. Das hörte natürlich auch mein Pferd und er startete im Galopp durch.

Das Gebiss zwischen den Zähnen, den Kopf hoch gerissen. «Es ist mir egal, was Du tust ich muss jetzt zurück zum Stall», schien er zu denken! Ich hatte die Chance verpasst, ihn beim Anspringen abzuwenden – das sollte ich noch bereuen. Statt geradeaus auf dem Weg zu bleiben, bog er plötzlich im rechten Winkel ab – über die Wiese war eine Abkürzung zum Stall. Dann wurde es schwarz. Ich weiss bis heute nicht, wie ich gestürzt bin. Ich weiss nur anhand meiner Prellungen am linken Oberschenkel und der Hüfte und anhand der Beulen am Hinterkopf, die ich trotz Helm hatte,  wie ich gelandet sein muss. Mir fehlte eine gute halbe Stunde der Erinnerung, vielleicht ein bisschen mehr. Die Hof-Angestellte, die mich gefunden hat, erzählte mir später, dass mein Pony neben mir stehen geblieben ist. Deshalb wurde sie aufmerksam, weil da ein Pferd mit Trense und Reitpad stand, aber ohne Reiter. Er war hungrig, ja, er war rücksichtslos ,ja, aber er wurde wieder wach, als er mich verloren hatte.

Ich erlitt eine Gehirnerschütterung und ein Schleudertrauma. Mein knallrotes Auto blieb daher die nächsten 5 Tage am Hof; das fällt auf. Einige Stallkollegen bekamen also mit, dass ich einen Sturz hatte und nicht mehr fahren konnte und es ergaben sich viele Gespräche. Erst bei diesen Gesprächen erfuhr ich, dass einige zur Fütterungszeit ihre Pferde gar nicht mehr bewegen – weil die Pferde sonst nichts abbekommen, aber auch weil sie zu nervös sind.

Mir platzt der Kragen

Jetzt kann man natürlich sagen: Reiten ist halt gefährlich. Ich knirsche mit den Zähnen und denke: “Nein, mit einem zufriedenen Pferd passiert DAS nicht!” Ich beschwerte mich erneut und sagte offen, dass die Pferde zu hungrig sind.

Natürlich kam der Spruch, dass ich ja keinen Sattel drauf hatte, nur das Reitpad (ja das war mir eine Lehre, bis heute bin ich nicht mehr ohne Sattel geritten.) Trotzdem beharrte ich darauf, dass die Pferde gestresst und nicht gut gefüttert sind. Endlich wurde dann die Futtermenge erhöht, so reichte das Futter zumindest bis knapp zum Mittag. Die Lage entspannt sich etwas. Ich habe erfahren, dass sich nach meinem Sturz jetzt mehr Einsteller getraut haben, sich für ihre Pferde zu wehren und etwas zu sagen.

Futterqualität

Zwar wurde nun etwas mehr Heu gegeben, aber die Qualität des Futters wurde nicht besser. Mein Pony wurde zunehmend aufgegast. So entschied ich mich, den Stall zu wechseln.

Die Suche gestaltete sich schwierig, ein Platz wird erst zu-, dann wegen einer Baustelle wieder abgesagt. Dann konnten wir endlich in einen neuen, kleinen Stall bei mir in der Nähe umziehen.

Ich spielte mit offenen Karten und erklärte dem Stallbetreiber meine Situation. Ich hätte eigentlich gern wieder einen Offenstall – doch im ausgewählten Stall ist das Konzept ganztägig Weide und nachts Box. Ich sagte ihm, dass ich weitersuchen würde und wir durften trotzdem kommen. Die Futter-Qualität ist wirklich gut – das Heu duftet herrlich nach Kräuterwiese. Ich erfahre, dass der Stallbetreiber es hauptsächlich kauft und schimmelige Ballen entsorgt. Ich fühlte mich wie im Paradies! Schimmeliges Futter wird entsorgt, mega!

Bei viel Regen und Matsche müssen sie mal drin bleiben, aber es gibt dann immer rechtzeitig die Info, damit man Bescheid weiss. Mein Pony steht jetzt in einer gemischten Herde mit ca. 17 Tieren, darunter sehr viele Ponys. Es gibt auch eine alte Islandstute und er ist schwer verliebt in eine Norwegerin! Nach 2 Tagen akzeptiert er ohne Probleme die Box:

Hey da gibt es Heu – nur für mich, lass mich da rein!

Nach 1 Woche ist mein Pferd dort satt, auch psychisch, nach 2 Wochen ist er zwar noch aufgeregt, aber nicht mehr dauernd auf «hab acht», wenn er etwas Neues hört. Nach 4 Wochen komme auch ich endlich zur Ruhe. Nach 6 Wochen sage ich zu, dass ich gerne bleiben möchte. Wir sind jetzt 3 Monate dort und am Wochenende waren wir zusammen ausreiten – so wie früher, als ich ihn gekauft hatte. Super chillig und lieb, so wie ich ihn kenne. Hört auf Eure Pferde – sie reden die ganze Zeit!

Frieden im Stall


Zum Glück ging diese Geschichte gut aus

Besonders berührt hat mich auch, dass das Pony bei seinem Menschen geblieben ist, nachdem sie gestürzt war.

Leider treffen Pferdetrainer, – Therapeuten und auch Tierärzte häufig auf Probleme, die einer nicht artegerechten Fütterung entspringen. Bitte überprüfe daher wirklich gut, ob dein Pferd möglicherweise Hunger hat, wenn es

  • unkooperativ ist
  • schlecht gelaunt
  • schnappig
  • aus unerklärlichen Gründen nervös und/oder
  • du zum Schluss gekommen bist, dass Futter aus der Hand nicht möglich ist, weil das Pferd dadurch total gestresst ist.

Zu lange Raufutter-Pausen, Portionenfütterung, sehr engmaschige Heunetze, rangnieder in der Gruppe, überhaupt Stress beim Fressen, all das können Faktoren sein, die dein Pferd echt körperlich und psychisch belasten. Und dann werden sie scheinbar “doof” oder “dominant” uns Menschen gegenüber.

Du bist ja, wenn du hungrig bist, auch nicht so gut drauf oder?

Pferde sind im Unterschied zu uns Dauerfresser. Wird ihr Magen nicht mit nur kurzen Pausen – bis maximal 4 Stunden – befüllt, dann hat das Folgen. Einerseits im Magen wegen der Magensäure, die immer produziert wird und dann an ungeschützte Teile der Magenschleimhaut gelangt und da Schäden anrichten kann – da haben viele Magengeschwüre ihren Ursprung. Andererseits aber indirekt auch im ganzen übrigen Körper, weil auch die gesunde Darmflora einknickt.

Und weil der Darm auch der Hauptsitz des Immunsystems ist, wirkt sich ein Fütterungs-Problem oft auch auf mit folgenden Symptomen aus:

  • stumpfes Fell/ schlechter Fellwechsel
  • Müdigkeit / Unlust
  • Scheuern an Schweif und Mähne
  • Stichelhaare
  • Verquollene Augen
  • Hautpilz/Milben
  • Tränende Augen
  • «Hengstkamm»
  • Zahnfleischentzündungen
  • Wiederkehrende Hufgeschwüre
  • Kotwasser / Durchfall
  • Mangelhaftes Hufhorn
  • Befall mit Endoparasiten

Wer einmal wirklich in der Tiefe verstanden hat, wie so ein Pferdedarm funktioniert und was er braucht, um gesund zu bleiben oder wieder gesund zu werden, dem wird vieles einfach logisch erscheinen.

Leider fehlt vielerorts dieses Wissen.


Nützliches Wissen für Dich

Wir von Herzenssache Pferd teilen das Wissen vieler grossartiger Fachleute mit Euch.

In unserem Onlinekurs “Darmgesundheit beim Pferd verstehen und fördern können”  von Dr. med. Vet. Svenja Thiede bekommst du das ganze Wissen zum Thema Darm sehr anschaulich und praxisorientiert. 

Erfahre auch:

  • wie du dann dein dickes Pferd füttern kannst.
  • warum gerade übergewichtige Pferde oft mangelernährt sind.

Bilder: Herzenssache Pferd (die Aufnahmen zeigen NICHT das beschriebene Pferd)

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