Was haben Delfine mit Pferdetraining zu tun?
Delfin-Horsetraining
Durch das Interview mit Reto Gfeller führt das Schweizer Reitmagazin PASSION
Reto Gfeller ist der Begründer des Delfin-Horsetrainings. Warum „Delfin“. Da Delfine im Wasser leben, können diese nicht mit mechanischen Mitteln zur Kooperation bewegt werden, sie tauchen einfach unter, sollte die Chemie zwischen ihnen und dem Trainer nicht stimmen. Hier geht die Zusammenarbeit nur über Freiwilligkeit. Genau das will Reto mit seiner Methode beim Pferdetraining erreichen. PASSION interessiert es, wie sich der innovative Pferdemensch zur Frage stellt, was ist für ein Pferd Arbeit und was bedeutet Freizeit.
Langeweile ist ein grosses Problem für unsere Pferde. In der Natur sind sie den ganzen Tag beschäftigt mit Futtersuche, nicht so bei unserer Haltung. Mit der Zeit leiden sie psychisch und physisch darunter. Freiheitstraining ist deshalb eine willkommene Abwechslung für sie und nicht eine Arbeit. Es ist insbesondere dann keine Arbeit für das Pferd, wenn es Spass daran hat. Ob das tatsächlich der Fall ist, sieht man unbestechlich daran, ob es in einer grossen Halle oder gar auf der Wiese freiwillig beim Menschen bleibt und mitmacht oder ob es abhaut.
Was ist für dich Arbeit mit dem Pferd und was ist Freizeit?
Obwohl ich Online und vor Ort viele Kurse in Delfin-Horstraining anbiete, muss ich nicht davon leben, sondern mache es den Pferden und Menschen zu liebe. Es ist deshalb für mich nicht Arbeit. Einzig das viele Autofahren zu den Kunden nervt manchmal. Ich kann in Ruhe und mit kleinen Schritten ohne zu überfordern, so trainieren, wie es Pferd und Mensch Spass macht. Dies gibt eine entspannte, harmonische Situation.
Wie lange trainierst du schon mit Pferden?
Ich habe schon Anfangs der 80-er Jahre kleinere Pferdeshows gemacht, hauptsächlich an Springkonkurrenzen. Sie bestanden aus einer akrobatischen Kosakennummer und aus Freiheitstraining inkl. reiten mit mehreren Pferden, ohne Zaum oder Halsring, damals eine Sensation. Parallel zu meinem Beruf als Ingenieur gab ich immer wieder Kurse. Seit ich meine Firma verkauft habe, kann ich mich nun ohne finanziellen Druck voll meiner Leidenschaft, den Pferden, widmen.
Sind Pferde aus deiner Sicht in der heutigen Zeit unter- oder überfordert?
Sie sind meines Erachtens auf jeden Fall physisch massiv unterfordert und ihre psychischen Fähigkeiten werden weit unterschätzt. Ich denke, dass die Pferde oft den Menschen nicht gut verstehen, was bei ihnen Stress auslöst. Aber auch die Menschen sind oft überfordert. Wenn man spürt, dass man eine Sache nicht recht im Griff hat, so schafft dies Stress. Genau an dem Punkt setzt Delfin-Horsetraining an: Das Ziel ist eine ruhige, entspannte Situation, in welcher Pferd und Mensch stressfrei und sicher unterwegs sind.
Bei deiner Methode, die auf Freiwilligkeit beruht, bezeichnest du das Training als „Arbeit“?
Nein, wie erwähnt nicht, auch bewusst nicht als Dressur. Gemäss Duden ist Dressur das Abrichten von Tieren. Ich will nicht abrichten. Ich trainiere das freiwillige „Sich-miteinander-unterhalten“. Ziel ist es, Eins zu werden mit dem Pferd und vor allem ihm die Sicherheit zu geben, welche ich ihm tendenziell wegnehme, weil ich es von der Herde entferne. Wenn ich spüre, wie ein Pferd bei mir die Sicherheit sucht und findet, wie könne ich das als Arbeit anschauen?
Ist deine Art des Trainings mehr Kopfarbeit oder Körperarbeit für das Pferd?
Jeder Pferdebesitzer fördert auf die eine oder andere Weise sein Pferd, aber hauptsächlich das Körperliche. Wer fördert gezielt die Psyche des Pferdes? Das Delfin-Horse-Freiheitstraining ist für das Pferd eine Herausforderung und Förderung seiner geistigen Fähigkeiten, mentales Training.
Muskelaufbau und Gymnastizieren sind zentrale Punkte für das Leben als Reitpferd, wie baust du diese Punkte in dein Training mit ein?
Im unseren Kursen lernt man, wie man das Pferd beim freien Longieren ohne mechanische Mittel in eine gelöste, natürliche Haltung über den Rücken bringen kann und fördert dadurch die Muskeln, und zwar die Richtigen. Eine gezielte Gymnastizierung zum Spring- oder Dressurpferd gehört aber nicht zu unseren Kernkompetenzen.
Was ist für dich eine gute Balance zwischen Training und Ruhenlassen für das Pferd?
Ich beobachte ganz bewusst die Stimmung der Pferde während dem Training. Sinkt diese unerwartet so „sagt“ mir das Pferd: Es ist genug für heute. Dann beende ich das Training und schliesse den Tag mit einer Lieblingsübung des Pferdes ab. Man muss manchmal seinen Ehrgeiz zurückstellen und das respektieren, was dem Pferd entspricht. Andererseits muss man sich aber auch als Leader etablieren. Dies heisst aber nicht Dominieren. Dominieren beschädigt das Vertrauensverhältnis. Günstig-stimmen, unsicher oder unklar sein ebenfalls. Wenn man auf das Pferd hört, dann spürt man, was die richtige Balance ist.
Reto Gfeller
Reto Gfeller
Seine ersten öffentlichen Vorführungen mit Pferden zeigte Reto ab 1985, mehrheitlich an Springkonkurrenzen. Seine Showeinlagen bestanden aus zwei Blöcken, Akrobatik und Freiheitsdressur. Er hatte das Glück, über längere Zeit einen persönlichen Kontakt zu Fredy Knie Senior zu pflegen und konnte in Rapperswil wie auch unterwegs viel vom Altmeister lernen, allerdings nur als Zuschauer. Parallel zur Freiheitsdressur betätigte er
sich als Distanzreiter, Fahrer bis 4-spännig und als Richter und Ausbildner für kombinierte Leistungsprüfungen im Distanzreiten. Über die Jahre erkannte er immer mehr, das Vertrauen des Pferdes ist DER Schlüssel zu einer wahren Freundschaft. Er reitet seine Pferde oft ohne Zügel, ohne Halsring und ohne Peitsche und arbeitet mit mehreren Pferden gleichzeitig, wobei diese aber unterschiedliche Aufgaben haben. Da die meisten
Ausbildungsmethoden auf ein einzelnes Pferd abgestimmt sind, musste er ein eigenes System der Kommunikation erarbeiten. So entstand die «Delfin-Trainingsmethode».
PASSION denkt nicht in Sparten oder Disziplinen. Das Magazin ist offen und aufgeschlossen gegenüber allen Facetten der Reiterei. Und wir sind überzeugt, dass jeder Pferde-Fan mit der nötigen Offenheit auch von den Erfahrungen, den Ideen und dem Wissen aus anderen Bereichen der Pferdewelt profitieren kann. Eines bleibt immer gleich: unser Partner ist ein Pferd. Und das ist unsere PASSION.
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