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Artgerechte Haltung von Pferden

Pferdehaltung aus Sicht des Tierschutzes

Buchbesprechung von Beatrice Hohl

Derzeit leben in Deutschland circa 1,2 Millionen Pferde und Ponys, die grösstenteils als Zucht-, Sport- und Freizeitpferde gehalten werden. Sie gelten im Sinne des Tierschutzgesetzes als landwirtschaftliche Zuchttiere, auch wenn sich nur wenige davon ihren Hafer als Holzrückepferd, Kutschpferd oder Schulpferd erarbeiten.

Das Tierschutzgesetz gibt den Rahmen für eine artgerechte, tierschutzkonforme Haltung der Pferde vor. In Deutschland gelten folgende

Rechtliche Grundlagen

§1 Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leid oder Schäden zufügen.

Tierschutzgesetz

§2 des Tierschutzgesetzes schreibt vor:

  1. Ein Tier muss seiner Art und seinen Bedürfnissen nach angemessen ernährt, gepflegt und verhaltensrecht untergebracht werden.
  2. Die Möglichkeit zur artgemässen Bewegung darf nicht so eingeschränkt werden, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.
  3. Der Tierhalter muss über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.

Der Normalfall

Schätzungen gehen davon aus, dass 60% der Pferde in Einzelboxenhaltung ohne Auslauf gehalten werden. Im Rahmen einer Untersuchung in Niedersachsen wurde ermittelt, dass von 2'147 Pferden deren 94% in Einzelboxen gehalten wurden. Der Anteil an Innenboxen ohne Kontakt zur Aussenwelt machte dabei mit 63% die häufigste Haltungsform aus. 

Einzelboxenhaltung scheinen demzufolge der Standard zu sein, welche damit die Norm bestimmen.

Die Haltungsform beeinflusst die Lebensdauer

Die Mehrzahl aller heutigen Pferdekrankheiten sind haltungsbedingt. Gesundheitliche Schäden stehen bei Pferden meist mit der mangelhaften Haltung, Ernährung und dem falschen Umgang in Verbindung. So sollen gegen 80% der Stallpferde symptomatische oder latent vorhandene Schäden der Atemwege aufweisen. 

Es muss davon ausgegangen werden, dass Pferde in herkömmlichen Haltungformenen etwa nur die Hälfte ihres biologisch möglichen Lebensalters erreichen! Wird den geschätzten 720'000 Pferden aus Einzelboxenhaltung also ein unerwartet frühes Ableben bevorstehen?

Was bedeutet artgerecht?

Wenn sogenannt normale Haltungsformen die Lebenserwartung so drastisch reduzieren, können sie nicht artgerecht sein. Welche Tierart gibt schon seine Freiheit auf, um sich aus freien Stücken dem Menschen anzuschliessen?

Das Buch zur Rezension

Um beurteilen zu können, was Tiere für ihre physische und psychische Gesundheit benötigen, müssen wir zuerst ihre natürlichen Bedürfnisse kennen. Genau aus diesem Grund ist das Buch "Artgerechte Haltung von Pferden" mit seinen

Sachverständigen Empfehlungen zur Pferdehaltung aus Sicht des Tierschutzes

ein längst fälliges Werk für jeden Pferdehalter!

Darin beschreiben die Autoren, welche Voraussetzungen unabdingbar sind, um Pferden ein gesundes, glückliches Leben in unserer Obhut zu ermöglichen.

Wer sich wie die Autoren für einen pferdegerechten Umgang einsetzt, wird von Mitmenschen schnell einmal belächelt. Flugs findet er sich in der Birkenstock- und Wollpullover-Schublade wieder, mit gefühlt fünf aus Drittweltländern evakuierten Hunden an der Seite und zwölf aus dem Tierheim geretteten Katzen auf den Bett, dem Kühlschrank und an den Vorhängen.

Wagen wir daher zuerst einen Blick auf die Autoren 

Dr. Maximilian Pick

Das Autorenteam setzt sich aus gestandenen Berufsleuten zusammen. Als ehemalige Turnierreiterin und Pferdewirtschaftsmeisterin Richtung Galopptraining betreibt Jutta Pick zusammen mit ihrem Mann Dr. med. vet. Maximilian Pick die Reitanlage Gut Holzen. Dieser ist Fachtierarzt für Tierschutz und ebenfalls ehemaliger Turnierreiter.  Dr. med. vet. Antje Rahm ist nicht nur tierschutzbeauftragte Tierärztin, sie ist auch mehrfache Landesmeisterin Dressur und Inhaberin eines Gestüts, Ausbildungs- und Verkaufsstalls für Dressurpferde. Dipl. Ing. Hanns Ullstein jun. hat über 50 Jahre Pferdehaltungs-Erfahrung und setzt sich seit 30 Jahren für die Entwicklung und Verbesserung der Pferdehaltung ein. Dr. med. vet. Norber Wolff schlussendlich ist Fachtierarzt für Pferde, Fachtierarzt für Fortpflanzung und Inhaber eines Reitstalls. 

Auf den Punkt gebracht

Im Buch fassen die Autoren sehr sachlich und ohne Gefühlsdusselei relevantes Wissen zu folgenden Themen zusammen:

  1. Vom Wildpferd zum Hauspferd
  2. Verhalten, Psychologie und Physiologie
  3. Rechtliche Grundlagen
  4. Pferdehaltung
  5. Bewegungseinrichtungen
  6. Pferdefütterung und Tränken
  7. Pferdepflege
  8. Weidemanagement
  9. Management eines Betriebes

Der Leser weiss nach der Lektüre, worauf er das Augenmerk richten muss. Und wer sich mit einem Themengebiet vertiefter beschäftigen möchte, findet im Anhang (Gerichtsurteile / Verwendete und weiterführende Literatur) genügend Hinweise, um sich noch eingehender informieren zu können.

Jeder trägt Verantwortung

Beim Lesen des Buches wurde mir bewusst, dass viele Pferdebesitzer ihrem Pferd Gutes tun möchten, dies aber aus mangelndem Wissen heraus nicht wirklich tun. Verantwortung für ein Lebewesen übernehmen heisst auch, sich mit dessen Bedürfnissen auseinandergesetzt zu haben. Hier leistet das Buch quasi 'Erste Hilfe' - Taten müssen dann durch die Pferdehalter selber folgen. 

Epilog

Auf Dr. med. vet. Maximilian Pick bin ich aufmerksam geworden durch einen Artikel über den Sinn oder Unsinn von Pferdedecken, der schon lange in einem Stoss Papier lag, den ich für unterbeschäftigte Zeiten zur Seite gelegt hatte. Nicht die Musse, sondern eine rigorose Aufräumaktion beförderte den Artikel in mein Bewusstsein zurück.

Dieser Artikel war zu gut für's Altpapier! Locker bringt er auf den Punkt, wieso Pferdedecken glücklich machen. Wir reden hier natürlich nicht von glücklichen Pferden, sondern von glücklich-besorgten Pferdebesitzern und geschäftstüchtigen Pferdedeckenhändlern. Ich wollte unbedingt den Autoren um Erlaubnis anfragen, diesen Artikel veröffentlichen zu dürfen!

Am Sonntag, 9. Oktober 2016, erschien die Bekanntmachung des Artikels auf Facebook. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich der Artikel in den sozialen Medien und innert der ersten drei Tage wurde der Artikel über 45'000 Mal aufgerufen!

Die Zeit scheint reif, umzudenken und zu hinterfragen. 

 

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