5 Mythen und Fakten zur Entwurmung von Pferden | 4my.horse

Suche

  • Folge uns auf

5 Mythen und Fakten zur Entwurmung von Pferden

Who is who im Pferdedarm?

Strongyliden, Bandwürmer, Spulwürmer und Konsorten

Oder: Warum das Schiessen aus der Hüfte häufig nicht das sinnvollste Vorgehen ist.

Autorin: Antoinette Hitzinger, Herzenssache Pferd, in Zusammenarbeit mit Nana Keck, Fachfrau für Endoparasiten beim Pferd

Würmer im Pferd sind eklig. Aber allgegenwärtig. Und in einem gewissen Mass ist das sogar anregend für das Immunsystem. Also quasi gesund.

Helfen sollten wir dem Pferd dann, wenn diese allgegenwärtigen kleinen Strongyliden oder Spulwürmer überhand nehmen oder wenn Endoparasiten (endo gleich innendrin) vorkommen, die wir da nicht dulden wollen, wie zum Beispiel Grosse Strongyliden, die in die Blutgefässe wandern, Bandwürmer, Leberegel und Konsorten.

Das Leben ist kompliziert genug. Also könnte die Entwurmerei wenigstens einfach sein.

Wurmpaste regelmässig rein ins Pferd und das Thema ist gegessen, ähh, rausgeäppelt.

Wurmeier unter dem Mikroskop

Leider nicht. Sorry. Deshalb hab ich mich jetzt mal reingekniet in die Materie. Und in Nana Keck jemanden gefunden, die quasi mit den Endoparasiten lebt. Und für einen guten Umgang damit.

Und sie ist nicht allein. Denn die selektive Entwurmung ist kein Furz einiger alternativer Pferdehalter. Sie wurde und wird von Tierärzten entwickelt und laufend weiterentwickelt. So ist Nana Keck bereits seit 30 Jahren engagierte Tierarzthelferin und hat mit einigen führenden Tierärzten in der Parasitologie beim Pferd zusammengearbeitet.

Die Quintessenz dieser Geschichte

Die Endoparasiten beim Pferd verändern sich laufend, aber die erhältlichen Wirkstoffe bleiben gleich und logischerweise beeinflussen sie einander.

Unsere Aufgabe als verantwortungsvolle Pferdebesitzer, Stallbetreiber und Tierärzte ist es, aufmerksam zu verfolgen, wohin die Reise geht und entsprechend zu handeln.


Mythos 1

Mythos No 1

  • Mythos: Ein Pferd, das 4 mal pro Jahr entwurmt wird, ist „sauber“ oder „wurmfrei“.
  • Fakt ist: 100 % sauber, beziehungsweise wurmfrei gibt es nicht.

70% der Pferdebevölkerung hierzulande ist soweit „sauber“ in dem Sinne, dass sich nur wenige Kleine Strongyliden in ihnen tummeln (Du erinnerst Dich, das sind diejenigen, die allgegenwärtig und in gewissen Massen auch ganz anregend für’s Immunsystem sind). Diese Pferde beherbergen auch keine andere gefährlichen Endoparasiten. Somit wären sie mit nur einer Winterentwurmung jährlich, also ohne 3 der sonst üblichen 4 Wurmkuren, ebenso sauber. Diese 70 % bekommen also unnötig Medikamente.

Für die anderen 30%, die tatsächlich mit dem Gewürme in ihrem Körper Hilfe brauchen, wäre eine gezieltere Behandlung notwendig. Dafür wäre eine Kotuntersuchung vor und eine Wirksamkeitskontrolle nach der Wurmkur-Gabe notwendig. Diese Pferde bekommen also mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die Behandlung, die notwendig wäre, um die Verwurmung nachhaltig zu senken. Erst recht nicht, wenn - wie das nun häufig gemacht wird - nur noch 2 bis 3 mal jährlich entwurmt wird. Diese Pferde sind also eventuell trotz der Wurmkuren gesundheitlich gefährdet, scheiden massiv viele Wurmeier aus und halten so den Infektionsdruck für die anderen Pferde hoch.

Mythos 2Mythos No 2

  • Mythos: Kotproben sind unzuverlässig
  • Fakt ist: Für die Erkennung von Kleinen und Grossen Strongyliden sowie Spulwürmern sind Kotproben eine geeignete Methode.

In verschiedenen Studien und Doktorarbeiten wurde nachgewiesen, dass die Eiausscheidung dieser Wurmarten sich zwar innerhalb der Jahreszeiten verändert, zu unterschiedlichen Tageszeiten oder an aufeinanderfolgenden Tagen jedoch so konstant ist, dass die Proben keinen signifikanten Unterschied ergeben.

Wichtig ist es, bei der Entnahme, beim Versand und der Untersuchung der Kotproben einige einfache Grundregeln einzuhalten.

Für die Unterscheidung von Grossen und Kleinen Strongyliden muss eine Larvenanzucht gemacht werden, da die Eier gleich aussehen. Auch die gelegentlich ausgeschiedenen erwachsenen Würmer kann man nur unter dem Mikroskop unterscheiden.

Eingeschränkt geeignet sind Kotproben für die Erfassung von Bandwürmern. Hier steigt die Nachweissicherheit mit der Häufigkeit der Probe, der Anzahl der beprobten Pferde und der kombinierten Sedimentation/Flotation-Untersuchungsmethode. Neu ist auch ein Speichel-Antikörpertest auf dem Markt.

Nicht geeignet sind Kotproben für die Erfassung von:

  • Oxyuren (da sind aber die Eiablagerungen am Pferd optisch sichtbar)
  • Magendasseln (Eiablagen sind im Sommer auf dem Fell sichtbar)

Im Vergleich zu "nix wissen" ist das schon eine ganze Menge mehr, was uns die Kotproben mit den geeigneten Auswertungsverfahren verraten.

Mythos 3Mythos No 3

  • Mythos: Die Pferde infizieren sich über Pferdeäpfel mit Würmern
  • Fakt ist: Nein, das tun sie nicht

Pferde infizieren sich, wenn sie Larven fressen und die Strongylidenlarven wandern eben aus den Pferdeäpfeln aus und sitzen an Grashalmen. Spulwurm – und Oxyurenlarven werden mit der Einstreu oder Heu, das am Boden liegt und verunreinigt ist wieder aufgenohmen. Die Larven brauchen alle nach der Eiausscheidung eine Weile, bis sie sich zu infektiösen Stadien entwickelt haben. Eine Ausnahme bilden die Zwergfadenwürmer bei Fohlen.

Also keine Angst, wenn Dein Pferd an fremden Haufen schnuppern möchte oder es frische Kothaufen frisst.

Mythos 4Mythos No 4

  • Mythos: Die strategische, viermalig Entwurmung pro Jahr hat sich bewährt
  • Fakt ist: Ja und Nein

Die strategische Entwurmung hat sich insofern bewährt, als dass die Grossen Strongyliden, insbesonders Strongylus vulgaris (landläufig „Blutwurm“ genannt) hierzulande so gut wie ausgerottet sind. Du erinnerst Dich: "Blutwürmer" sind diejenigen, die in die Blutbahnen wandern können und dort Thrombosen verursachen, welche Koliken auslösen können. Die wollen wir definitiv nicht im Pferd haben!

Wegen dieser sogenannten „Blutwürmern“ hat man die chemische Entwurmung überhaupt angefangen. Wenn sie nicht mehr da sind – was als Erfolg zu werten ist – macht es jedoch wenig Sinn, einfach damit weiterzumachen.

Zur Zeit sind noch ca 0,3 % des Pferdebestandes davon betroffen. In erster Linie sind dies Importpferde aus dem Ausland, welche die Blutwürmer wieder einschleppen und Pferde, die mit unbehandelten oder nicht gezielt behandelten Pferden aus dem Ausland zusammenstehen.

Resistenzen sind auf dem Vormarsch, leider.

Grosser Nachteil der strategischen Entwurmung ist die Bildung von Resistenzen, welche mit der planmässigen, viermal jährlich stattfindenden Entwurmung gefördert wird (siehe Mythos Nr. 1; das blinde Vorgehen, das für hochbefallene Pferde oft ungenügend ist).

Aktuell gibt es noch einen Wirkstoff, gegen den keine Resistenzen bekannt sind.

Neben der unnötigen Gabe von starkwirksamen und auch umweltbelastenden Medikamenten macht das die Bekämpfung der Endoparasiten zunehmend komplexer.

Wenn wir davon Abstand nehmen, nicht mit Würmern belastete Pferde vorsorglich chemisch zu entwurmen, können wir dazu beitragen, dass diese Resistenzen wieder abnehmen. Das nennt man die Bildung von Refugien.

Mythos 5Mythos No 5

  • Mythos: Einem verwurmten Pferd sieht man den Wurmbefall an
  • Fakt ist: Optisch kann man dies nur bei massivem Befall erkennen - und auch dann nicht bei allen Wurmarten

Sichtbar wirkt sich jedoch ein massiver Befall von Spulwürmern bei Jungpferden aus. Hier ist er erkennbar am stumpfen Fell, am Entwicklungsrückstand und am aufgetriebenen Bauch.

Aber im Fall der Kleinen Strongyliden – Du erinnerst Dich, die allgegenwärtigen, die aber erst bei massivem Befall gesundheitsgefährdend sind – ist auch ein massiver Befall äusserlich in der Regel nicht sichtbar. Die Gesundheitsgefährung entsteht bei diesen Würmern durch die sogenannte larvale Cyathostominose, das heisst, dass zeitgleich viele Larven ihre Entwicklungsphase in der Darmwand beenden und auswandern. Das kann zu heftigen Durchfällen, Gewichtsverlust, Kolik, Fieber, Wasseransammlungen am Bauch und an den Gliedmassen und sogar zu Todesfällen führen.

Ausgelöst werden kann so eine massenhafte Auswanderung der Larven durch den Einsatz einer Wurmkur oder durch das Ende einer gehemmten Entwicklung der Larven, bedingt beispielsweise durch die Jahreszeiten. Dies aber natürlich nur bei massivem Befall, welcher eben äusserlich nicht zwingend sichtbar ist, aber in frequenten Kotuntersuchungen über die Weidesaison sichtbar gemacht werden könnte.

Das verwurmte Fohlen sieht nicht gesund aus

Fohlen mit deutlichen äusseren Anzeichen starker Vermurmung: Stumpfes Fell, aufgetriebener Bauch, Entwicklungsrückstand


Der Blick in die Geschichte der chemischen Entwurmung

Oft denken wir, das war „schon immer“ so, es hat sich bewährt und deswegen bleiben wir dabei.

Dabei lernen wir laufend dazu. Im Falle der Endoparasiten beim Pferd ging das so:

In den 50er und 60er Jahren kam es bei Pferden vermehrt zu Todesfällen, welche auf Verwurmung zurückzuführen waren. Diese Todesfälle gingen vor allem auf das Konto der Grossen Strongyliden „Strongylus vulgaris“, der sogenannten Blutwürmer. Die heissen nicht etwa so, weil sie rot wären, sondern weil sie aus dem Darm in die Blutgefässe des Pferdes wandern, sich dort weiterentwickeln und wieder zurück wandern, um zum erwachsenen Wurm zu mutieren. Damals waren mehr solche Würmer in den Pferden, wohl weil die Pferde öfter auf der Weide waren und mehr Pferde auf kleineren Flächen gehalten wurden.

Wurmmittel über die Nasen-Schlundsonde

Und weil die Menschen im Wirtschaftsaufschwung vermehrt bereit waren, Geld für ihre Pferde auszugeben, dies auch in Form von Medikamenten, suchte man Wirkstoffe gegen diese Parasiten und fand erstmals Phenotiazin. Das war jedoch so ätzend, dass es über eine Nasen-Schlundsonde verabreicht werden musste, weil sonst die Speiseröhre verätzt worden wäre. Sehr unschön. Die Forscherei ging also weiter.

Anfang der 60er Jahre kam die erste Wurmkur als Paste für die orale Eingabe auf den Markt – die Wirkstoffklasse der Benzimidazole war entdeckt worden. Die bekanntesten Produkte mit diesem Wirkstoff heissen Panacur, Telmin und Rintal.

Schon bald wurden aber Resistenzen gegen diesen Wirkstoff festgestellt. Und wieder ging die Forscherei weiter.

Anfang der 70er Jahre kamen dann die Tetrahydropyrimidine als Wirkstoffe dazu. Die gängisten Pasten mit einem Wirkstoff „ Pyrantelembonat“ aus dieser Gruppe heissen Banminth, Jernadex, Hippoparex, Strongid usw.

Die Würmer zogen nach und auch hier entwickelten sich Resistenzen

Es wurde weiter gesucht und in den 80er Jahren kamen die makrozyklischen Laktone dazu. Als erstes gab es Ivermectin.

„Ivermectin macht alles hin“ – auch die Bodenlebewesen und in Gewässer gespült Fische und Kleinlebewesen im Wasser. Auch für Hunde mit einem MDR1 Gendefekt ist dieser Wirkstoff sehr gefährlich, weil er die Blut-Hirnschranke durchdringen kann.

Einige Parasiten haben es jedoch geschafft, auch gegen Ivermectin resistent zu werden.

In den 90er Jahren kam aus derselben Wirkstoffgruppe Moxidectin dazu. Dagegen sind bei den Strongyliden bisher noch keine Resistenzen bekannt und es wäre wunderbar, wenn das so bliebe. Deshalb sollte dieser Wirkstoff sehr sparsam und umsichtig eingesetzt werden.

Du siehst also, das ganze ist in stetiger Veränderung.

Die positive Veränderung: die Grossen Strongyliden, die Blutwürmer, wegen denen die chemische Entwurmung ursprünglich begonnen wurde, sind stark rückläufig und könnten bei uns bereits so gut wie ausgerottet sein, wenn sie nicht durch Auslandpferde immer wieder eingeschleppt würden.

Deshalb ist es wichtig, Pferde aus dem Ausland nicht gleich in die Gruppen zu integrieren, sondern zunächst in Quarantäne zu stellen (keine Grasweide), gut zu untersuchen (mittels Kotproben UND Larvenanzucht) und dann gezielt zu behandeln. Denn anhand der Eier können Grosse und Kleine Strongyliden nicht unterschieden werden.

Wie geht es weiter?

Die nächste Station in der Entwicklung ist ein umsichtiger und gezielter Einsatz der vorhandenen Wirkstoffe – genau deswegen wurde die Zeitgemässe Selektive Entwurmung entwickelt.

Anmerkung: Auf den Einsatz von Kräutern oder anderen naturheilkundlichen Mitteln zur Entwurmung gehe ich in diesem Artikel nicht ein. Dies soll aber nicht heissen, dass sie wirkungslos wären. Im Falle der Abtötung von adulten Würmern und Wurmlarven kann ich es schlicht nicht beurteilen. Nana Keck sagt, dass ihre Versuche eine verminderte Ausscheidung von Wurmeiern ergeben hätten, allerdings nur solange die Mittel gegeben wurden. Sicher ist, dass diese Substanzen das Darmmilieu beeinflussen können.


Meine persönliche Ansicht

Ich schätze mich glücklich, in einer Zeit zu leben, in der diese Medikamente verfügbar sind. Mein Ziel ist es, damit verantwortungsvoll, zurückhaltend und achtsam umzugehen und unnötigen Einsatz der Medikamente zu vermeiden.

Wer die obigen Punkte gelesen hat, weiss, dass es nicht mehr sinnvoll ist, 4 mal pro Jahr vorsorglich "aus der Hüfte auf die Würmer zu schiessen", wenn wir gar nicht wissen, ob diese überhaupt da sind.

Heute drängen sich zwei sinnvolle Alternativen auf:

  • Übergib die ganze Angelegenheit jemandem, der sich damit auskennt, sich darum kümmert und befolge einfach dessen Anweisungen.
  • Oder befasse Dich ein bisschen näher damit. Der gesunde Menschenverstand wird Dir ziemlich klar sagen, was wann zu tun ist.

Ich persönlich finde es toll, wenn wir im Durchschnitt 60 % der Wurmkuren „einsparen“ können. Sicher, auch die Kotuntersuchungen kosten, doch gesamthaft schont der gezielte Einsatz der Medikamente den Geldbeutel. Denn wenn Du Glück hast, und Dein Pferd ist ein Niedrigausscheider, dann zeigt sich das in den Kotproben und Du kannst Dir die Wurmkuren sparen – bis auf den gezielten Einsatz der Medikamente im Bedarfsfall.

Tipp

Einen wirklichen Einblick in die verborgenen Welt der Endoparasiten beim Pferd und darüber, was wann Sinn macht, kannst Du aktuell (Frühjahr 2019) in der SonnenPferd Connection bekommen.

Für nur 29,90 Euro erhältst Du dauerhaft Zugang zu vier aufschlussreichen Videos und den zusammenfassenden PDF-Dokumenten. Du kannst auch schriftlich oder live Fragen an Nana Keck stellen. Hier findest Du mehr Informationen dazu.


Bella geniesst die Weide

Eigene Erfahrung mit unserer Shettystute Bella

Wir haben mit resistenten Endoparasiten selber sehr unerfreuliche Erfahrungen gemacht bei unserer Shettystute Bella.

Unsere Tochter hat Bella damals 3jährig in der Schweiz gekauft aus einem Handelsbetrieb, und zwar zu einem stolzen Preis. Im Vertrag war schriftlich vermerkt, dass sie frisch entwurmt sei. Weil wir uns nicht so sicher waren, ob das stimmte, haben wir sie selbst nochmals entwurmt und Bella auch nicht sofort in unsere Herde integriert.

Bella war auch sehr mager. Sie hat dann zugenommen und gleichzeitig einen so mächtigen Bauch entwickelt, dass wir erst dachten, sie sei vielleicht trächtig und sie daraufhin untersuchen liessen.

Sie war nicht trächtig.

Bis ein Wurmbefall von aussen so sichtbar wird, sind da mehr als nur kleine Strongyliden am Werk. Wir haben dann mit anderen Wirkstoffen weiter entwurmt. Doch leider scheint Bella einen geschädigten Darm davongetragen zu haben. Jedenfalls ist ihre Verdauung sehr empfindlich und sie neigt zu – auch starken – Durchfällen.

Damit ist uns also genau das passiert, was wir vermeiden wollten; wir haben neue und erst noch resistente Wurmstämme in unseren Bestand „importiert.“

Hätten wir 2 Wochen nach der Wurmkur eine Wirkungskontrolle per Kotprobe machen lassen, dann wäre uns und Bella das erspart geblieben und wir hätten früher gezielt handeln können.

Leider waren wir damals noch nicht so schlau.

Bella geniesst das Wasser

Inhalt teilen: